Infrastruktur – tempora mutantur….

Früher war Vieles besser – so sagt man manchmal leichtfertig dahin, ohne sich zu überlegen, wann eigentlich genau „früher“ gewesen sein soll. Dieser Zeitpunkt ist zumindest für den Bau von Multifunktions- und Sportarenen klar zu bestimmen: Vor Dezember 2012 und damit vor dem Urteil des EuGH zum Flughafen Leipzig/Halle (Rechtssache C-288/11 P) war aus beihilferechtlicher Sicht manches einfacher. Bis dahin galt die staatliche Finanzierung des Baus einer solchen Infrastruktur als allgemeine Maßnahme und daher als beihilferechtlich unkritisch. Dies zumindest dann, wenn die Nutzung einen multifunktionalen Charakter aufwies und ein diskriminierungsfreier Zugang gewährt wurde. Beihilferechtliche Überprüfungen bezogen sich – wenn überhaupt – auf die Nutzerebene. Handelte es sich um eine Infrastruktur, die einem bestimmten Nutzer oder Nutzerkreis „gewidmet“ war, erhielt dieser möglicherweise eine beihilferelevante Begünstigung. Diese Zeiten sind nun vorbei  und der Bau und Betrieb von Multifunktions- und Sportarenen ist in den Fokus der Beihilfenkontrolle geraten.

Gelbe Karte für den Bau von Multifunktions- und Sportarenen

Hintergrund für diese Richtungsänderung war das Urteil des EuGH zum Flughafen Leipzig/Halle. In diesem Urteil hatten die Luxemburger Richter festgestellt, dass auch eine Beihilfe auf Errichter- und Betreiberebene nicht ausgeschlossen werden könne. Dies zumindest dann, wenn eine Infrastruktur wirtschaftlich betrieben werde und der Bau einer solchen nicht von dem späteren Betrieb getrennt werden könne. Zwar stellte der EuGH dies ausdrücklich nur für den Bau einer Start- und Landebahn im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Flughafens fest. Die Kommission übertrug jedoch diesen Ansatz in der Folgezeit auf verschiedene andere Infrastrukturen. Insbesondere in den Jahren 2012/13 erließ sie eine Reihe von Beschlüssen im Zusammenhang mit dem Neu- und Umbau von Multifunktions- und Sportarenen. Die beihilferechtliche Überprüfung erfolgte dabei stets auf Ebene der Errichtung der Infrastruktur, sowie auf Betreiber- und Nutzerebene.

Kein Platzverweis, sondern eine sportliche Prüfung auf drei Ebenen

Da mit dem  Betrieb einer Multifunktions- und Sportarena professionellen und nichtprofessionellen Nutzern entgeltlich ein Ort für Veranstaltungen angeboten wird, handelt es sich um eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Beihilfenrechts. Dies führt die Kommission in einer Reihe von Beschlüssen aus und begründet damit zugleich auch, dass es sich bereits bei dem Bau dieser Infrastruktur um eine wirtschaftliche Tätigkeit handelt. Auch wenn sich das Betreiberkonzept im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens als das wirtschaftlichste Angebot durchgesetzt hat, bedeutet dies im Übrigen nicht, dass damit alle beihilferechtlichen Probleme gelöst sind. Um aus beihilferechtlicher Sicht eine Begünstigung des Betreibers ausschließen zu können, muss im Rahmen des Market economy tests (MEOT) darüber hinaus sichergestellt werden, dass tatsächlich auch die Kosten des Baus anteilig vom Betreiber getragen werden. Ansatzpunkt ist dabei der Nachweis der Verzinsung des eingesetzten Kapitals im Verhältnis zur Nutzung sowie die Übernahme der Instandhaltungskosten.

Auf Nutzerebene kommen als Begünstigte ausschließlich Profisportclubs in Betracht, da nur diese eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Beihilfenrechts ausüben. Die Beschäftigung von Berufsspielern gegen ein Entgelt, das einen erheblichen Teil des Einkommens des Sportlers ausmacht, ist dabei ein Indiz für die Ausübung von Profisport. Auch auf Nutzerebene kann möglicherweise durch Anwendung des MEOT eine Begünstigung ausgeschlossen werden, wenn der Nachweis erbracht werden kann, dass das Nutzungsentgelt marktüblich ist.

Im Zusammenhang mit der Frage der potentiellen Handelsbeeinträchtigung und drohenden Wettbewerbsverfälschung geht die Kommission auf Ebene der Errichtung und des Betriebs von Multifunktions- und Sportarenen davon aus, dass der staatlich unterstütze Um- und Neubau stets Auswirkungen auf den europäischen Markt zeigen wird. Ausgeschlossen erscheint eine Handelsbeeinträchtigung hingegen bei ausschließlich lokalen Sachverhalten.

Auf Ebene der Nutzer hat die Kommission zumindest für den Profifußball bis zur 3. Liga das Vorliegen rein lokaler Sachverhalte jedoch verneint. Sie begründet dies mit der (zumindest potentiellen) Tätigkeit dieser Clubs auf verschiedenen europäischen Märkten wie den Fernsehübertragungs-, Sponsoren-, Ticket-, Merchandising- und Spielertransfermarkt. Scheint dieser Ansatz bereits in der 3. Fußballliga eher theoretisch, würde er in anderen Sportarten bereits in der 2. Liga die tatsächliche Situation verkennen: So werden Vereine in der 2. Eishockeyliga ausschließlich regional gesponsert, Übertragungen im Fernsehen werden aufgrund der Übertragungszeiten von der breiten Masse – und damit auch von Werbeträgern – nicht wahrgenommen. Die Spielerverträge laufen nur über einen kurzen Zeitraum, so dass ein Vereinswechsel grundsätzlich ohne Transfergeldzahlungen und meist auch innerhalb der deutschen Liga erfolgt. Ein Einfluss auf den europäischen Wettbewerb erscheint daher nur marginal.

Beruhigend ist jedoch, dass die Kommission bislang in allen Fällen die staatlichen Mittel für den Um- und Neubau von Multifunktions- und Sportarenen auf Grundlage von Art. 107 Abs. 3 lit c AEUV genehmigt hat. Dies ist auf die grundsätzlich große Bedeutung des Sports für die Allgemeinheit zurückzuführen. Sie stellt dabei auf Ebene der Genehmigungsfähigkeit nunmehr auf den diskriminierungsfreien Zugang und die multifunktionaler Nutzung ab.

Ein Aufstieg in die AGVO 2014

Die im Sommer 2014 in Kraft getretene Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (kurz AGVO) ermöglicht es, bestimmte Beihilfemaßnahmen durchzuführen, ohne dass diese zuvor bei der Kommission angemeldet und von dieser genehmigt werden müssen. Sie müssen vielmehr nur nachträglich angezeigt werden. Die AGVO enthält in Art 55 (Abschnitt 12) auch die Voraussetzungen für die Freistellung von Beihilfen zugunsten von Multifunktions- und Sportarenen. Für beide sind Beihilfen für Infrastrukturkosten bis zu 15 Mio. € oder Gesamtkosten des Vorhabens von 50 Mio. € freigestellt. Sportinfrastrukturen können darüber hinaus bis zu 2 Mio. € im Jahr Betriebsbeihilfen bekommen. In der Regel werden neue Sportstadien als Multifunktionsarenen konzipiert (neben Sport- werden dort auch Musik- oder andere Kulturveranstaltungen durchgeführt). Damit wären Betriebsbeihilfen z.B. für Personal-, Material-, Energie- und Wartungskosten jedoch ausgeschlossen. Werden die jeweiligen Schwellen der Freistellung überschritten, müssen im Übrigen auch weiterhin die Beihilfen bei der Kommission vor ihrer Auszahlung angemeldet und von dieser auf Grundlage des Art. 107 Abs. 3 lit c AEUV überprüft werden.

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