Das beihilferechtliche „Klein-Klein“ in der Wirtschaftsförderung

Die staatliche Finanzierung von Maßnahmen zur Wirtschaftsförderung wurde in den vergangenen Jahren von deutschen Kommunen beihilferechtlich in der Regel auf Grundlage des DawI-Freistellungsbeschlusses gerechtfertigt. Die Kommission hat im Jahr 2016 einige dieser Maßnahmen beihilferechtlich untersucht und der Bundesregierung mit Schreiben vom 31.01.2019 mitgeteilt, dass sie in einzelnen Fällen erhebliche Zweifel an der rechtlichen Bewertung als Dawl hat.

Die Kommission führt in diesem Schreiben aus, dass insbesondere viele der Dienstleistungen nicht direkt zum Wohle der Bürger oder im Interesse der Gesellschaft als Ganzes erbracht würden. Sie unterstützten in erster Linie regionale Unternehmen. Beispielsweise bezögen sich die in Rede stehenden Tätigkeiten u. a. auf den Betrieb von Infrastrukturen wie Kongress- und Veranstaltungszentren, Innovations- und Biotechnologie-Zentren, Beratungsdienste für Unternehmen. Wenn überhaupt, seien diese Dienste nur teilweise an Bürger gerichtet, die ansonsten nur indirekt von einer potenziellen Entwicklung der lokalen Wirtschaft als tatsächlichem Ziel der Förderung profitierten.

Auch wenn die Kommission, die im Rahmen dieses Auskunftsersuchens geprüften Beihilfen aufgrund fehlender Wettbewerbsbeschwerden nicht zurückgefordert hat, ist das Schreiben doch als Aufforderung zu sehen, die Finanzierung der Wirtschaftsförderung zukünftig beihilferechtlich anders zu gestalten

Alternativen zum DawI-Freistellungsbeschluss

Nachdem der DawI-Freistellungsbeschluss daher als einheitlicher Lösungsansatz für die Wirtschaftsförderung entfällt, ist zunächst festzustellen, dass damit ein allgemeingültiger beihilferechtlicher Rechtfertigungsansatz für die Finanzierung der Wirtschaftsförderung nicht existiert. Für die beihilferechtliche Beurteilung muss daher – vergleichbar mit der Tourismusförderung – jeweils auf die konkreten Einzelmaßnahmen der Wirtschaftsförderung abgestellt werden. Maßnahmen der Wirtschaftsförderung sind dabei vielfältig. Dazu gehören u. a. Existenzgründung- und Start-up Förderung,  Unternehmensservice, Informationsveranstaltungen, Standortmarketing, Interessenvertretung sowie Grundstücksgeschäfte und Immobilienverwaltung – um nur einige zu nennen.

Ansätze für eine beihilfefreie Finanzierung

In einem ersten Schritt empfiehlt es sich zunächst zu untersuchen, ob die Finanzierung einzelner Maßnahmen beihilfefrei erfolgen kann. Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV liegt eine staatliche Beihilfe vor, wenn durch den Einsatz staatlicher Mittel ein Unternehmen selektiv begünstigt wird und hierdurch eine Verfälschung des Wettbewerbs zumindest droht, sowie der Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt werden. Kann eines dieser Tatbestandsmerkmale rechtssicher ausgeschlossen werden, liegt keine Beihilfe vor und die Maßnahme kann durchgeführt werden. Eine diesbezügliche Prüfung sollte unbedingt dokumentiert werden. Für Einzelmaßnahmen der Wirtschaftsförderung muss nunmehr die Ausschlussmöglichkeit einer Beihilfe jeweils einzeln geprüft werden. Als Ansatzpunkte für den Ausschluss einer Beihilfe bieten sich dabei die Tatbestandsmerkmale selektive Begünstigung, Unternehmenseigenschaft (wirtschaftliche Tätigkeit) sowie der Ausschluss der Handelsbeeinträchtigung an.

  • Ausschluss der selektiven Begünstigung

Eine Begünstigung ist jede wirtschaftliche Vergünstigung, die ein Unternehmen unter normalen Marktbedingungen, d. h. ohne Eingreifen des Staates nicht erhalten könnte. Stellt damit ein staatlicher Zuschuss eine marktübliche Vergütung für eine Leistung dar, kann eine Begünstigung ausgeschlossen werden. Die Überprüfung der Marktüblichkeit hat dabei vor Gewährung der Mittel/ vor Abschluss eines Vertrages zu erfolgen und ist zu dokumentieren. In Betracht kommt diese Ausschlussmöglichkeit im Zusammenhang mit Dienstleistungen wie z. B. für kommunales Flächenmanagement zu Marktkonditionen oder beim Abschluss von Miet- und Pachtverträgen. Ausgeschlossen werden kann eine Begünstigung alternativ, wenn Mittel an Dritte nur weitergeleitet werden, ohne dass die weiterleitende Stelle selber einen Vorteil erhält (Fußnote 179 der NoA).

  • Ausschluss der wirtschaftlichen Tätigkeit

Eine Fördermaßnahme unterliegt nicht dem Beihilferecht, wenn sie keine „Unternehmen“ begünstigt. Ein Unternehmen ist „jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung“. Kennzeichnend für eine wirtschaftliche Tätigkeit ist dabei das Anbieten von Gütern oder Dienstleistungen auf einem Markt.

Nicht den Wettbewerbsregeln des Unionsrechts unterliegen hingegen Tätigkeiten, die nach ihrer Art, den für sie geltenden Regeln und ihrem Gegenstand keinen Bezug zum Wirtschaftsleben haben. Rein soziale oder gemeinnützige Tätigkeiten, die nicht auf einem Markt in Wettbewerb mit anderen Wirtschaftsteilnehmern ausgeübt werden, stellen daher keine wirtschaftlichen Tätigkeiten dar.

Im Zusammenhang mit der Förderung von Tätigkeiten im Rahmen der allgemeinen Wirtschaftsförderung wird es daher regelmäßig um die Abgrenzung zu Tätigkeiten gehen, die am Markt i. d. R. entgeltlich erbracht werden.

Als nicht-wirtschaftlich kann unter Umständen das sogenannte Standortmarketing angesehen wenn, wenn eine Region sich auf Messen vorstellt, um Investoren zu gewinnen, soweit dies nicht mit Werbemaßnahmen zugunsten von Unternehmen am Standort verbunden wird. Gleiches gilt für Beratungsleistungen soweit es sich z.B. um allgemeine Erstberatung handelt, die lediglich Anreize zur Entwicklung weiterer Aktivitäten und Folgeberatung setzt und dabei exklusive Kenntnisse vermittelt werden.

Bei der Erschließung und Revitalisierung von öffentlichem Gelände durch öffentliche Stellen handelt es sich ebenfalls um eine nicht-wirtschaftliche Tätigkeit, soweit Empfänger der Fördermittel nur die Träger der Maßnahmen („Erschließung, Wiederherrichtung und Ausbau von Grundstücken für die industrielle und gewerbliche Nutzung“) sind. Als Träger kommen vorzugsweise Gemeinden oder Gemeindeverbände („örtliche Behörden“) in Betracht. Diese sind zu verpflichten, ihre Überschüsse aus den Verkäufen an den Zuwendungsgeber abzuführen. Erschließungsunternehmen müssen im Wege eines Ausschreibungsverfahrens ermittelt werden und der Käufer den Marktpreis zahlen (anderenfalls kommt ggf. die Gewährung einer „de-minimis Beihilfe“ in Betracht) s. dazu „Comfort Letters“ der Kommission vom 27.03.2014 (Verfahren Staatliche Beihilfe SA.36346).

Als nicht-wirtschaftlich können bislang auch sogenannte wirtschaftliche Annextätigkeiten gewertet werden. Soweit eine Infrastruktur für den Fall einer gemischten Nutzung fast ausschließlich für eine nicht-wirtschaftliche Tätigkeit genutzt wird, kann ihre Finanzierung beihilfefrei erfolgen, wenn nicht mehr als 20 % der Kapazitäten der Haupttätigkeit und mit denselben Ressourcen (z.B. Ausrüstung, Personal) wirtschaftlich genutzt werden (Fußnote 307 der NoA).

Kulturelle Aktivitäten, die Erhaltung des kulturellen Erbes und Naturschutz können ebenfalls beihilfefrei finanziert werden, soweit diese kostenlos sind oder der Öffentlichkeit offenstehen und überwiegend durch die öffentliche Hand finanziert werden („das erhobene Entgelt deckt nur einen Bruchteil der tatsächlichen Kosten“ Rn. 34 ff der NoA).

  • Ausschluss der Handelsbeeinträchtigung

Die Kommission stellt in ihrer jüngeren Beschlusspraxis zur Beurteilung von rein lokalen Auswirkungen darauf ab, ob die begünstigte Tätigkeit nur in einem geographisch begrenzten Gebiet angeboten wird, es unwahrscheinlich ist, dass sie Kunden bzw. Verbraucher aus anderen Mitgliedstaaten anspricht und Fördermaßnahme nicht mehr als marginale Auswirkungen auf grenzüberschreitende Investitionen oder die Niederlassung von Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten haben (Rn. 195 ff. der NoA, sowie bestätigt durch EuG Rs. T-728/17 s. auch dazu: Blogbeitrag https://beihilfen-blog.eu/erste-rueckmeldung-aus-luxemburg-zu-lokalen-sachverhalten/

Bestimmte Maßnahmen zur Wirtschaftsförderung werden regelmäßig durchgeführt, um internationale Investoren auf die Region aufmerksam zu machen, daher erscheint es fraglich, ob grundsätzlich im Zusammenhang mit Wirtschafsförderung von einer rein lokalen Wirkung ausgegangen werden kann. Dennoch ist dieser Ansatz im Einzelfall nicht ausgeschlossen. So hat die Kommission im Zusammenhang mit der Finanzierung einer Informations- und Netzwerkplattform zur direkten Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und zur Bewältigung sozialer Konflikte in einem vorab festgelegten, sehr kleinen Gebiet, eine rein lokale Auswirkung bejaht (Staatliche Beihilfe SA.33149 – Städtische Projektgesellschaft „Wirtschaftsbüro Kiel-Gaarden“, Abl.  C 188/1 vom 5.06.2015).

  • Ansätze für beihilferechtliche Rechtfertigungsmöglichkeiten

Ist für einzelne Maßnahmen der Wirtschaftsförderung der Ausschluss einer Beihilfe nicht möglich, sollte in einem nächsten Schritt untersucht werden, ob diese Beihilfe dennoch gerechtfertigt ist.

In Betracht kommt hier zunächst die Gewährung von de-minmis Beihilfe
i. H. v. 200.000 € innerhalb von drei Geschäftsjahren. Daneben bietet auch die AGVO eine Reihe von Freistellungstatbeständen insbesondere für KMU an.  Dazu gehören regionale Investitions- und Betriebsbeihilfen für KMU nach Art. 14 und 15 AGVO, die eine Regionalbeihilfe auch außerhalb eines Fördergebiets ermöglichen. Außerdem KMU-Beihilfen für die Inanspruchnahme für Beratungsdiensten nach Art. 18 AGVO, KMU-Beihilfen für die Teilnahme an Messen nach Art. 19 AGVO, Beihilfen für Unternehmensneugründungen nach Art. 22 AGVO, Beihilfe für auf KMU spezialisierte alternative Handelsplattformen nach Art 23 AGVO sowie Innovationsbeihilfen für KMU nach Art. 28 AGVO. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der Förderung von Innovationsclustern nach Art. 27 AGVO. Auf Grundlage dieser Vorschrift existieren in einigen Bundesländern auch Förderrichtlinien.

Fazit:

Die Tätigkeiten von Wirtschaftsfördergesellschaft sind vielfältig. Für eine rechtssichere Förderung wird es zukünftig unerlässlich, die unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche hinsichtlich ihrer Beihilferelevanz einzeln zu überprüfen und ggf. auch neu zu justieren. Hilfreich wäre natürlich die Einführung eines Freistellungstatbestandes. Das dürfte aber aufgrund der unterschiedlichen Tätigkeiten der Wirtschaftsfördergesellschaft und den bisher fehlenden Erfahrungen der Kommission in diesem Sektor zeitnah nicht zu erwarten sind. Bis dahin wird die Wirtschaftsförderung mit dem beihilferechtlichen „Klein-Klein“ leben müssen.

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