Rollenverteilung zwischen nationalen Gerichten und der Kommission im EU-Beihilfenrecht

Die Beziehungen zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten werden geprägt durch den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit nach Art. 4 Abs. 3 AEUV. Dieser Grundsatz bildet insbesondere die Grundlage für die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den nationalen Gerichten im Bereich des EU-Beihilfenrechts.

Im Rahmen der Umsetzung des EU-Beihilfenrechts treffen die Kommission und die nationalen Gerichte sowohl komplementäre als auch singuläre Aufgaben:

Ausschließliche Zuständigkeiten der EU-Kommission

Allein zuständig ist die Kommission für die Prüfung, ob eine angemeldete Beihilfemaßnahme mit dem gemeinsamen Binnenmarkt auf Grundlage von Art. 107 Abs. 2 und 3 sowie Art. 106 AEUV vereinbar ist.

Gleiches gilt für die Überprüfung der Genehmigungsfähigkeit von Beihilfen, die entgegen dem Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 AEUV gewährt wurden und erst im Nachgang notifiziert, von Amtswegen von der Kommission aufgegriffen oder im Rahmen einer Wettbewerbsbeschwerde an die Kommission herangetragen wurden.

Ausschließliche Zuständigkeit der nationalen Gerichte

Die alleinige Zuständigkeit der nationalen Gerichte besteht darin, Dritten Rechtsschutz im Fall der Gewährung rechtswidriger Beihilfen zu gewähren. Das rechtliche Spektrum ist dabei weitgefächert und richtet sich nach den Vorschriften des nationalen Rechts: Zum einen kann es in diesen Verfahren um die Aussetzung oder Rückforderung von rechtswidrig gewährten Beihilfen gehen – auch im Wege von einstweiligen Maßnahmen. Ausgangspunkt können dabei Wettbewerbsbeschwerden auf Grundlage von § 832 Abs. 2 BGB iVm. Art. 108 Abs. 3 AEUV oder § 4 Nr. 11 UWG iVm. Art. 108 Abs. 3 AEUV sein. Zum anderen sind jedoch auch Zuwendungsgeber gehalten, die Rückforderung ihrer Förderung gerichtlich durchzusetzen, wenn sie einen Beihilfeverstoß feststellen.

Kommt das befasste Gericht z.B. zu dem Ergebnis, dass eine Zuwendung eine staatliche Beihilfe iSd. Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt, die nicht gerechtfertigt ist, hat es entsprechende Maßnahmen zu ergreifen (z.B. Rückforderung), um die Wettbewerbsverfälschung zu beseitigen.

Diese Konsequenz hat ein nationales Gericht auch für den Fall zu ziehen, wenn es um die Frage geht, ob eine Beihilfe z.B. auf Grundlage der AGVO oder des DawI-Freistellungsbeschlusses freigestellt ist. Stellt sich im Rahmen eines solchen Verfahrens heraus, dass nicht alle Voraussetzungen für die Freistellung erfüllt sind, sind die Beihilfen ebenfalls zurückzufordern.

Befasst werden können nationale Gerichte aber auch mit Schadensersatzforderungen von Wettbewerbern des Empfängers einer rechtswidrigen Beihilfe. Dritte haben die Möglichkeit nationale Stellen bei Verstoß gegen das Durchführungsverbot unmittelbar auf Grundlage von Art. 108 Abs.3 AEUV auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, unabhängig davon, ob ein Kommissionbeschluss vorliegt.

Geteilte Zuständigkeiten der Kommission und der nationalen Gerichte

Wie sich aus der obigen Darstellung ergibt, sind sowohl die Kommission als auch die nationalen Gerichte befugt und verpflichtet, das Vorliegen einer Beihilfe gem. Art. 107 Abs. 1 AEUV zu prüfen.

Stellt die Kommission im Rahmen ihrer Prüfung fest, dass der Beihilfetatbestand erfüllt ist, reicht allein ein Verstoß gegen das Durchführungsverbot jedoch für eine Rückforderung oder Aussetzung nicht aus. Die Kommission muss in jedem Fall vor Erlass eines Rückforderungsbeschlusses prüfen, ob die formal rechtswidrig gewährte Beihilfe mit dem Binnenmarkt vereinbar ist. Bis zu diesem Beschluss besteht jedoch für die Kommission die Möglichkeit auf Grundlage von Art. 13 VO 2015/1589 eine Anordnung zur Aussetzung oder einstweiligen Rückforderung der Beihilfe zu erlassen.

Kommt ein nationales Gericht im Rahmen einer Wettbewerbsbeschwerde zu dem Ergebnis, dass der Beihilfetatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllt ist und ein Rechtfertigungsgrund nicht vorliegt, kommt es auf die Frage der Genehmigungsfähigkeit nicht an. Selbst wenn die Kommission parallel mit diesem Verfahren befasst ist, besteht die Aufgabe des nationalen Gerichts darin, die beihilferechtswidrige Situation umgehend zu beenden. Das Gericht ist daher auch nicht befugt, das Verfahren bis zu einem abschließenden Kommissionsbeschluss auszusetzen. Nach einem Beschluss der Kommission dürfen nationale Gerichte keine Entscheidungen treffen, die diesem Beschluss entgegenstehen.

Aus Sicht eines Wettbewerbers des Empfängers einer möglicherweise rechtswidrigen Beihilfe kann es daher hilfreich sein, „zweigleisig zu fahren“ und sowohl vor dem zuständigen nationalen Gericht als auch bei der Kommission Beschwerde einzureichen.

Im Zweifelsfall kann das nationale Gericht die Kommission gem. Art. 29 Abs. VO 2015/1589 um Informationen u.a. darüber ersuchen, ob ein Verfahren über die konkrete Beihilfemaßnahme bei der Kommission anhängig ist, ob die Kommission bereits ein förmliches Prüfverfahren eröffnet hat oder ob sie einen Beschluss erlassen hat. Die Kommission bemüht sich, die entsprechenden Informationen dem Gericht innerhalb von einem Monat zur Verfügung zu stellen.

Das Gericht kann die Kommission auch um Stellungnahme ersuchen z.B. zum Beihilfencharakter einer Maßnahme oder zur Höhe des Beihilfenelements, zur Anwendung der AGVO oder der De-minimis Verordnung. Hier bemüht sich die Kommission um Beantwortung der Fragen innerhalb von vier Monaten.

Alternativ kann oder muss ein Gericht eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs nach Art. 267 AEUV über die Auslegung des Begriffs der staatlichen Beihilfe oder die Gültigkeit eines Kommissionsbeschlusses einholen.

In Verfahren, die eine besondere beihilferechtliche Bedeutung haben, kann die Kommission als Amicus-Curiae Stellungnahmen auf eigene Initiative und auch mündlich vor Gericht abgeben. Die Stellungnahme der Kommission ist jedoch für das nationale Gericht nicht bindend.

Weitere Informationen finden sich hier in der Bekanntmachung der Kommission über die Durchsetzung der Vorschriften über staatliche Beihilfen durch die nationalen Gerichte.

Rollenverteilung zwischen nationalen Gerichten und der Kommission im EU-Beihilfenrecht

Gabriele Quardt

Die Beziehungen zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten werden geprägt durch den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit nach Art. 4 Abs. 3 AEUV. Dieser Grundsatz bildet insbesondere die Grundlage für die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den nationalen Gerichten im Bereich des EU-Beihilfenrechts.

Im Rahmen der Umsetzung des EU-Beihilfenrechts treffen die Kommission und die nationalen Gerichte sowohl komplementäre als auch singuläre Aufgaben:

Ausschließliche Zuständigkeiten der EU-Kommission

Allein zuständig ist die Kommission für die Prüfung, ob eine angemeldete Beihilfemaßnahme mit dem gemeinsamen Binnenmarkt auf Grundlage von Art. 107 Abs. 2 und 3 sowie Art. 106 AEUV vereinbar ist.

Gleiches gilt für die Überprüfung der Genehmigungsfähigkeit von Beihilfen, die entgegen dem Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 AEUV gewährt wurden und erst im Nachgang notifiziert, von Amtswegen von der Kommission aufgegriffen oder im Rahmen einer Wettbewerbsbeschwerde an die Kommission herangetragen wurden.

Ausschließliche Zuständigkeit der nationalen Gerichte

Die alleinige Zuständigkeit der nationalen Gerichte besteht darin, Dritten Rechtsschutz im Fall der Gewährung rechtswidriger Beihilfen zu gewähren. Das rechtliche Spektrum ist dabei weitgefächert und richtet sich nach den Vorschriften des nationalen Rechts: Zum einen kann es in diesen Verfahren um die Aussetzung oder Rückforderung von rechtswidrig gewährten Beihilfen gehen – auch im Wege von einstweiligen Maßnahmen. Ausgangspunkt können dabei Wettbewerbsbeschwerden auf Grundlage von § 832 Abs. 2 BGB iVm. Art. 108 Abs. 3 AEUV oder § 4 Nr. 11 UWG iVm. Art. 108 Abs. 3 AEUV sein. Zum anderen sind jedoch auch Zuwendungsgeber gehalten, die Rückforderung ihrer Förderung gerichtlich durchzusetzen, wenn sie einen Beihilfeverstoß feststellen.

Kommt das befasste Gericht z.B. zu dem Ergebnis, dass eine Zuwendung eine staatliche Beihilfe iSd. Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt, die nicht gerechtfertigt ist, hat es entsprechende Maßnahmen zu ergreifen (z.B. Rückforderung), um die Wettbewerbsverfälschung zu beseitigen.

Diese Konsequenz hat ein nationales Gericht auch für den Fall zu ziehen, wenn es um die Frage geht, ob eine Beihilfe z.B. auf Grundlage der AGVO oder des DawI-Freistellungsbeschlusses freigestellt ist. Stellt sich im Rahmen eines solchen Verfahrens heraus, dass nicht alle Voraussetzungen für die Freistellung erfüllt sind, sind die Beihilfen ebenfalls zurückzufordern.

Befasst werden können nationale Gerichte aber auch mit Schadensersatzforderungen von Wettbewerbern des Empfängers einer rechtswidrigen Beihilfe. Dritte haben die Möglichkeit nationale Stellen bei Verstoß gegen das Durchführungsverbot unmittelbar auf Grundlage von Art. 108 Abs.3 AEUV auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, unabhängig davon, ob ein Kommissionbeschluss vorliegt.

Geteilte Zuständigkeiten der Kommission und der nationalen Gerichte

Wie sich aus der obigen Darstellung ergibt, sind sowohl die Kommission als auch die nationalen Gerichte befugt und verpflichtet, das Vorliegen einer Beihilfe gem. Art. 107 Abs. 1 AEUV zu prüfen.

Stellt die Kommission im Rahmen ihrer Prüfung fest, dass der Beihilfetatbestand erfüllt ist, reicht allein ein Verstoß gegen das Durchführungsverbot jedoch für eine Rückforderung oder Aussetzung nicht aus. Die Kommission muss in jedem Fall vor Erlass eines Rückforderungsbeschlusses prüfen, ob die formal rechtswidrig gewährte Beihilfe mit dem Binnenmarkt vereinbar ist. Bis zu diesem Beschluss besteht jedoch für die Kommission die Möglichkeit auf Grundlage von Art. 13 VO 2015/1589 eine Anordnung zur Aussetzung oder einstweiligen Rückforderung der Beihilfe zu erlassen.

Kommt ein nationales Gericht im Rahmen einer Wettbewerbsbeschwerde zu dem Ergebnis, dass der Beihilfetatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllt ist und ein Rechtfertigungsgrund nicht vorliegt, kommt es auf die Frage der Genehmigungsfähigkeit nicht an. Selbst wenn die Kommission parallel mit diesem Verfahren befasst ist, besteht die Aufgabe des nationalen Gerichts darin, die beihilferechtswidrige Situation umgehend zu beenden. Das Gericht ist daher auch nicht befugt, das Verfahren bis zu einem abschließenden Kommissionsbeschluss auszusetzen. Nach einem Beschluss der Kommission dürfen nationale Gerichte keine Entscheidungen treffen, die diesem Beschluss entgegenstehen.

Aus Sicht eines Wettbewerbers des Empfängers einer möglicherweise rechtswidrigen Beihilfe kann es daher hilfreich sein, „zweigleisig zu fahren“ und sowohl vor dem zuständigen nationalen Gericht als auch bei der Kommission Beschwerde einzureichen.

Im Zweifelsfall kann das nationale Gericht die Kommission gem. Art. 29 Abs. VO 2015/1589 um Informationen u.a. darüber ersuchen, ob ein Verfahren über die konkrete Beihilfemaßnahme bei der Kommission anhängig ist, ob die Kommission bereits ein förmliches Prüfverfahren eröffnet hat oder ob sie einen Beschluss erlassen hat. Die Kommission bemüht sich, die entsprechenden Informationen dem Gericht innerhalb von einem Monat zur Verfügung zu stellen.

Das Gericht kann die Kommission auch um Stellungnahme ersuchen z.B. zum Beihilfencharakter einer Maßnahme oder zur Höhe des Beihilfenelements, zur Anwendung der AGVO oder der De-minimis Verordnung. Hier bemüht sich die Kommission um Beantwortung der Fragen innerhalb von vier Monaten.

Alternativ kann oder muss ein Gericht eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs nach Art. 267 AEUV über die Auslegung des Begriffs der staatlichen Beihilfe oder die Gültigkeit eines Kommissionsbeschlusses einholen.

In Verfahren, die eine besondere beihilferechtliche Bedeutung haben, kann die Kommission als Amicus-Curiae Stellungnahmen auf eigene Initiative und auch mündlich vor Gericht abgeben. Die Stellungnahme der Kommission ist jedoch für das nationale Gericht nicht bindend.

Weitere Informationen finden sich hier in der Bekanntmachung der Kommission über die Durchsetzung der Vorschriften über staatliche Beihilfen durch die nationalen Gerichte.

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