Das Gericht der europäischen Union bestätigt: Die deutsche Rettungsbeihilfe zugunsten von Condor ist mit dem Unionsrecht vereinbar

Am 18. Mai 2022 urteilte das Gericht der europäischen Union (EuG), dass die deutsche Rettungsbeihilfe zugunsten der Condor Flugdienst GmbH mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Vorausgegangen war eine von der Fluggesellschaft Ryanair DAC erhobene Nichtigkeitsklage gegen den Beschluss der Kommission vom 14. Oktober 2019. Die Kommission stufte in diesem Beschluss die von der Bundesrepublik Deutschland angemeldete Beihilfe als mit dem Unionsrecht vereinbar ein.

Hintergrund:

Am 23. September 2019 beantragte die Thomas Cook Group die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und stellte ihre Geschäftstätigkeit ein. Sie hielt zu diesem Zeitpunkt 100% der Anteile an der Fluggesellschaft Condor Flugdienst GmbH, die zwei Tage später am 25. September 2019 ebenfalls einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellte.

Am gleichen Tag meldete die Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Kommission eine Rettungsbeihilfe zugunsten der Condor Flugdienst GmbH in Form eines Darlehns in Höhe von 380 Mio. EUR an. Die Beihilfe war auf sechs Monate begrenzt und diente der Aufrechterhaltung des regulären Luftverkehrsbetriebs. Insbesondere sollten auch die negativen Folgen für Fluggäste und Personal durch eine Fortführung des Betriebes bis zum Verkauf des Unternehmens, in Grenzen gehalten werden.

Am 14. Oktober 2019 erließ schließlich die Kommission, ohne ein förmliches Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV einzuleiten, den angefochtenen Beschluss, mit dem sie feststellte, dass es sich zum einen bei der Maßnahme um eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV handele. Zum anderen aber auch, dass die Maßnahme auf Grundlage von Art. 107 Abs. 3 Buchst. C AEUV und der Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von nichtfinanziellen Unternehmen in Schwierigkeiten mit dem Binnenmarkt vereinbar sei.

Gegen diesen Beschluss erhob die Fluggesellschaft Ryanair am 11. September 2020 Nichtigkeitsklage vor dem EuG (Rechtssache T-577/20)

Rechtliche Würdigung durch das Gericht:

Das Gericht stellte zunächst fest, dass die Fluggesellschaft Ryanair (im folgenden „Klägerin“) eine betroffene Partei ist, die ein Interesse an der Wahrung der ihr nach Art. 108 Abs. 2 AEUV zustehenden Verfahrensrechte hat. Die Klage ist deshalb insoweit zulässig, als das die Klägerin eine Verletzung ihrer Verfahrensrechte geltend macht.

Die Klage beruhte im Wesentlichen auf folgenden Gründen:

1. Verstoß gegen Randnummer 22 der Leitlinien

Die Klägerin machte zunächst geltend, dass Zweifel an der Prüfung der in Randnummer 22 der Leilinien genannten Voraussetzungen bestehen, die die Kommission zur Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens hätte veranlassen müssen. In Randnummer 22 der Leitlinien heißt es:

„Ein Unternehmen, das einer größeren Unternehmensgruppe angehört oder im Begriff ist, von einer größeren Unternehmensgruppe übernommen zu werden, kommt für Beihilfen auf der Grundlage dieser Leitlinien grundsätzlich nur dann in Frage, wenn es sich bei den Schwierigkeiten des betreffenden Unternehmens nachweislich um Schwierigkeiten des Unternehmens selbst handelt, die nicht auf eine willkürliche Kostenverteilung innerhalb der Gruppe zurückzuführen sind und die so gravierend sind, dass sie von der Gruppe selbst nicht bewältigt werden können.“

Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten

Das Gericht kommt nach einer wörtlichen, teleologischen und systematischen Auslegung der Rn. 22 zu dem Ergebnis, dass die Schwierigkeiten eines Unternehmens, das einer Gruppe angehört, als inhärent anzusehen sind, wenn sie nicht das Ergebnis einer willkürlichen Kostenverteilung innerhalb der Gruppe sind.

Damit soll verhindert werden, dass eine Unternehmensgruppe ihre Kosten, Schulden oder Verbindlichkeiten auf ein Unternehmen der Gruppe abwälzt und damit für eine Rettungshilfe in Betracht kommt, während dies andernfalls nicht möglich wäre. Das Ziel der Leitlinien ist es insofern zu verhindern, dass die Vorschriften für staatliche Beihilfen durch künstlich geschaffene Mechanismen innerhalb der Gruppe umgangen werden.

Ein Unternehmen ist deshalb entgegen der Auffassung der Klägerin noch nicht vom Geltungsbereich der Rettungsbeihilfen ausgeschlossen, weil seine Schwierigkeiten auf den Schwierigkeiten der restlichen Unternehmensgruppe beruhen.

Es ist der Klägerin nicht gelungen, die Schlussfolgerungen der Kommission zu widerlegen, dass die Schwierigkeiten der Condor Flugdienst GmbH nicht auf eine willkürliche Kostenverteilung innerhalb der Gruppe zurückzuführen sind, sondern im Schwerpunkt auf den Folgen der Liquidation der Thomas Cook Gruppe beruhen.

Das Gericht stellte anschließend fest, dass der Thomas Cook Konzern nicht in der Lage war, die Schwierigkeiten seiner Tochtergesellschaft zu bewältigen, da diese sich selbst in der Liquidation befand und ihre Geschäftstätigkeit eingestellt hatte.

2. Verstoß gegen Randnummer 44 Buchstabe b der Leitlinien

Die Klägerin machte darüber hinaus geltend, dass die Kommission hätte bezweifeln müssen, dass die streitige Maßnahme die in Randnummer 44 Buchstabe b der Leitlinien genannten Voraussetzungen erfüllt. In Randnummer 44 Buchstabe b heißt es:

„Die Mitgliedstaaten müssen aufzeigen, dass der Ausfall des begünstigten Unternehmens wahrscheinlich zu schwerwiegenden sozialen Härten oder zu schwerem Marktversagen führen würde, indem sie insbesondere nachweisen, dass die Gefahr einer Unterbrechung der Erbringung eines wichtigen Dienstes gegeben ist, der nur schwer zu ersetzen ist, wobei es für Wettbewerber schwierig wäre, die Erbringung der Dienstleistung einfach zu übernehmen (z. B. nationaler Infrastrukturanbieter).“

Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten

Das Gericht bestätigte die Entscheidung der Kommission, nach der die fragliche Dienstleistung „wichtig“ und „schwer zu ersetzen“ sei.

Aus der Systematik dieser Randnummer hat das Gericht gefolgert, dass es für eine „wichtige Dienstleistung“ nicht erforderlich ist, dass das Unternehmen eine „systemrelevante Rolle für die Wirtschaft des Mitgliedstaates“ spielt oder dass es mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut ist. Der Anwendungsbereich ist damit nicht auf Unternehmen beschränkt, die auf nationaler Ebene von Bedeutung sind.

Auch war die Dienstleistung schwer zu ersetzen, da der Marktaustritt der Condor Fluggesellschaft GmbH dazu geführt hätte, dass eine große Zahl an Fluggästen im Ausland gestrandet wären und ihre Rückführung durch andere Fluggesellschaften nur schwer zu bewerkstelligen gewesen wäre. Aus diesem Grund hätte das Ausscheiden der Condor Fluggesellschaft GmbH aus dem Markt zu einem schwerwiegenden Versagen des Marktes führen können.

Keines der von der Klägerin vorgetragenen Argumente war geeignet dieses Ergebnis in Frage zu stellen.

3. Verstoß gegen Randnummer 74 der Leitlinien

Die Klägerin macht schließlich geltend, dass die Kommission die in Randnummer 74 der Leitlinien festgelegte Voraussetzung der einmaligen Beihilfe unzureichend geprüft habe. Insbesondere hätte sie prüfen müssen, ob auch der Thomas Cook Konzern keine Beihilfen erhalten habe. In Randnummer 74 der Leitlinien heißt es:

„Hat eine Unternehmensgruppe bereits eine Rettungsbeihilfe, Umstrukturierungsbeihilfe oder vorübergehende Umstrukturierungshilfe erhalten, so genehmigt die Kommission weitere Rettungs- oder Umstrukturierungsbeihilfen zugunsten der Gruppe oder einzelner Unternehmen dieser Gruppe normalerweise erst 10 Jahre, nachdem die Beihilfe gewährt, die Umstrukturierungsphase abgeschlossen oder die Umsetzung des Umstrukturierungsplans eingestellt worden ist (je nachdem, welches Ereignis als Letztes eingetreten ist).“

Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin keine Beweise vorlegen können, dass der Thomas Cook Konzern in den letzten zehn Jahren Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen erhalten hat. Der Klagegrund wurde deshalb ebenfalls vom Gericht zurückgewiesen.

Letztlich hat die Klägerin nicht nachweisen können das Zweifel bestehen, die die Einleitung eines förmlichen Prüfverfahrens rechtfertigen würden. Das Gericht hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen und der Klägerin die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Fazit:

Wieder einmal hat sich Ryanair vor dem EuG eine Niederlage eingefangen. Fast könnte man sagen, dass diese Fluggesellschaft das als Dauergast in Luxemburg gewöhnt sein dürfte. In bereits mehr als 16 Verfahren hat sich die Airline gegen Corona-Hilfen von Wettbewerbern gewandt. Dies allerdings nur mit mäßigem Erfolg. Auch in diesem Verfahren dürfte jedoch davon ausgegangen werden, dass gegen das Urteil Rechtsmittel eingelegt wird.

*Diesen Beitrag schrieb Hans-Joachim von Salmuth während seines Referendariats bei MWP.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Chris

    Finde ich auch vollkommen richtig;)

    Chris

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