Ryanairs Kampf gegen Diskriminierung im Beihilfenrecht geht weiter

Erneut muss sich das Unionsgericht mit Klagen von Ryanair befassen, die sich gegen verschiedene Corona-Beihilfen zugunsten von Wettbewerbern richten.   

Insgesamt sind es wohl mehr als 16 Klage, die die irische Fluggesellschaft gegen Beihilfen iHv. mehr als 30 Milliarden Euro in Luxemburg eingereicht haben soll. Bislang allerdings ohne Erfolg. Die beiden ersten Klagen gegen französische und schwedische Beihilfemaßnahmen hatte das Gericht bereits im Februar diesen Jahres abgewiesen.

Nun beschert das EuG drei weitere Urteile im Zusammenhang mit COVID-19-Beihlifen im stark gebeutelten Luftverkehrssektor und wehrt damit erneut das Ansinnen Ryanairs ab, (Rechtssachen T-378/20, T-379/20 und T-388/20).

Ryanair kündigte an, auch hier Berufung gegen die Urteile beim EuGH einlegen zu wollen.

Gegenstand der Verfahren

Das EuG entschied am 14. April 2021 über die Rechtmäßigkeit von insgesamt drei Beschlüssen der Europäischen Kommission.

Mit Beschlüssen vom 15. April 2020 und vom 24. April 2020 stufte die Kommission von Dänemark und Schweden zugunsten der Fluggesellschaft SAS AB gewährte revolvierende Kreditfazilitäten bis zu einem Höchstbetrag von 1,5 Mrd. schwedische Kronen als eine nach Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbare staatliche Beihilfe ein.

Mit Beschluss vom 18. Mai 2020 erklärte die Kommission eine von Finnland zugunsten von Finnair Plc gewährte staatliche Garantie für ein Darlehen in Höhe von 600 Mio. EUR unter Verweis auf den Temporary Framework für nach Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar.

Ryanair hat gegen die drei Beschlüsse Klage auf Nichtigerklärung erhoben. Wie schon bei den im Februar entschiedenen Klagen ähneln sich auch diesmal die Klagegründe und Argumente sehr. Im Kern wirft Ryanair der Kommission zum einen vor, verkannt zu haben, dass die Gewährung der Beihilfen für ein einzelnes Unternehmen die Voraussetzungen des Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV bzw. Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV schon nicht erfüllen kann. Jedenfalls seien solche Einzelmaßnahmen aber ungeeignet und unverhältnismäßig, um die Folgen der Pandemie zu beseitigen. Zum anderen würden durch die Gewährung der Einzelbeihilfemaßnahmen Wettbewerber zu Unrecht diskriminiert.

Im Einzelnen:

  • Die Kommission habe gegen das sich aus Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV ergebende rechtliche Erfordernis verstoßen, dass genehmigte Beihilfen Schäden, die durch außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind und nicht nur Schäden eines Geschädigten solcher Ereignisse beseitigen müssten (Rechtssachen T-378/20 und T-379/20) bzw. die Kommission habe Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV fehlerhaft angewandt, indem sie festgestellt habe, dass die Beihilfe eine beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben Finnlands verhindern solle (Rechtssache T-388/20);
  • die Kommission habe einen offensichtlichen Beurteilungsfehler bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Beihilfe begangen (T-378/20 und T-379/20) bzw. ihre Pflicht verletzt, die positiven und negativen Auswirkungen der Beihilfen abzuwägen (T-388/20);
  • die Kommission habe weiter gegen die besonderen Vorschriften des AEUV und die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts hinsichtlich des Diskriminierungsverbots, des freien Dienstleistungsverkehrs und der Niederlassungsfreiheit verstoßen;
  • die Kommission habe gegen die Verfahrensrechte Ryanairs und gegen ihre Begründungspflicht verstoßen.

Die Entscheidung des EuG

Auch die Würdigung durch das EuG fällt in allen drei Fällen entsprechend ähnlich aus.

Das EuG stellt zunächst fest, dass Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV und Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV sowohl auf Beihilferegelungen, als auch auf Einzelbeihilfen anwendbar sind. Folglich kann die alleinige Tatsache, dass Beihilfen als Einzelbeihilfen (und nicht für alle Betroffenen) gewährt werden, keinen Rechtsfehler begründen. Auch die Vereinbarkeit von Einzelbeihilfemaßnahmen mit dem Binnenmarkt ist an den Voraussetzungen des Art. 107 AEUV zu messen.

Im Falle SAS AB führt das EuG dann aus, dass die Beihilfemaßnahmen im Hinblick auf die aufgrund der Pandemie entstandenen Schäden verhältnismäßig sind. Hierbei berücksichtigte es vor allem, dass es sich bei der Bezifferung der durch die Pandemie entstandenen und nach Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV erstattungsfähigen Schäden aufgrund der unsicheren Entwicklung der Pandemie notwendigerweise um eine Prognose handelt. Die gewählte Berechnungsmethode sei in Anbetracht dessen hinreichend konkret, um eine Überkompensation zu vermeiden. Des Weiteren gingen Dänemark und Schweden eine Verpflichtung ein, bis zum 31. Juni 2021 eine nachträgliche Bewertung des tatsächlich entstandenen Schadens vorzunehmen und übersteigende Beihilfen gegebenenfalls zurückzufordern.

Im Falle Finnairs kam das EuG zu dem Ergebnis, dass die staatliche Garantie im Sinne von Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV geeignet ist, die Tätigkeit von Finnair aufrechtzuerhalten und dadurch eine größere Störung im Wirtschaftsleben Finnlands durch einen etwaigen Zahlungsausfall Finnairs zu vermeiden. Hierbei wurden vor allem die absolute und die relative Anzahl der beförderten Fluggäste, das Ausmaß der logistischen Tätigkeit, die Anzahl der Angestellten und der Beitrag zum BIP Finnlands berücksichtigt. Eine Abwägung der positiven und negativen Auswirkungen der Beihilfe sehen – anders als von Ryanair gerügt – weder Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV noch der Temporary Framework vor.

Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung liegt nach den Ausführungen des EuG ebenfalls nicht vor. Ähnlich wie schon in seinen Urteilen im Februar (Rechtssachen T-259/20 und T-238/20) hebt das EuG hervor, dass eine die Voraussetzungen des Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV bzw. Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV erfüllende Beihilfe einen solchen Verstoß schon nicht begründen kann. Denn eine Einzelbeihilfe stellt schon kraft ihres Charakters als Einzelmaßnahme eine Ungleichbehandlung dar. Die Annahme, dass eine solche Beihilfe gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung verstoße, würde im Widerspruch zu den Voraussetzungen des Art. 107 Abs.2 lit. b AEUV und Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV stehen und  die Vereinbarkeit einer jeden Einzelbeihilfe mit dem Binnenmarkt in Frage stellen.

Lediglich hilfsweise führt das EuG im Weiteren kurz aus, dass die Beihilfemaßnahmen aber ohnehin erforderlich, geeignet und angemessen sind, um die durch die COVID-19 Pandemie entstandenen Schäden zu beheben bzw. um die durch die COVID-19 Pandemie auftretende beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben zu beseitigen.

Schließlich stellt das EuG fest, dass Ryanair nicht dargelegt hat, inwiefern der Ausschlusscharakter der Maßnahme Ryanair davon abhält, sich im jeweiligen Staat niederzulassen oder Dienstleistungen von dort oder dorthin zu erbringen. Ebenso wenig sei eine Verletzung der Begründungspflicht der Kommission ersichtlich.

Fazit

Keine Diskriminierung durch mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilfen – diesen bereits in den Urteilen aus Februar herausgearbeiteten Grundsatz hat das EuG abermals bekräftigt. Ryanairs Versuch, über den Umweg des Diskriminierungsverbots und der Grundfreiheiten die Rechtmäßigkeit von nach Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV bzw. Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbaren Beihilfen in Frage zu stellen, ist abermals ein Riegel vorgeschoben worden. Ryanair wird sein Ansinnen, dass die Fluggesellschaft nicht berücksichtigende Beihilfen rechtswidrig und diskriminierend seien, weiterverfolgen. Ob der Weg vor den EuGH dabei von mehr Erfolg gekrönt sein wird, darf bezweifelt werden.

*Diesen Beitrag schrieb Christopher Hanke während seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt bei MWP.

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