Condor vs. Lufthansa – über den Wolken…

… muss die Freiheit wohl grenzenlos sein – so singt jedenfalls Reinhard Mey. Das sieht Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager allerdings anders und schaut daher erneut der Lufthansa genauer unter die Flügel. Angesichts sinkender Passagierzahlen in der Corona-Krise ringen die Airlines um eine bessere Auslastung ihrer Flugzeuge.

Dass das Beihilfenrecht bei diesem Kampf ein hilfreiches Instrument sein kann, hat bereits die Vergangenheit gezeigt. Aber auch in der Krise wird mit harten Bandagen gekämpft wie jüngst die Klagen von Ryanair  gegen die Corona-Beihilfen von Wettbewerbern vor dem Gericht der Europäischen Union gezeigt haben. Zu groß ist die Angst vor dem Einfluss staatlicher Mittel auf den Wettbewerb im Luftverkehr – wenn sie denn einem Konkurrenten gewährt wird. Das zeigt aktuell auch das Duell zwischen Lufthansa und Condor.

Die Player

Die Lufthansa ist ein weltweit operierender Luftverkehrskonzern mit über 500 Tochterunternehmen und Beteiligungen. Dazu gehörten u.a. Austrian Airlines, Brussels Airlines, Swiss, Eurowings – um nur einige zu nennen. Der Höhenflug der Fluggesellschaft wurde mit Ausbruch der Corona-Pandemie jäh gestoppt. Sinkende Passagierzahlen sorgten für einen Umsatzrückgang von über 50% auf 13,6 Mrd. € in 2020 – 2019 waren es noch 36,4 Mrd. €. Mit Hilfe staatlicher Unterstützung konnte die Lufthansa wieder durchstarten: Nach zähem Ringen hat die Kommission am 25. Juni 2020 staatliche Beihilfen zugunsten der Lufthansa genehmigt. Teil des Pakets war dabei vor allem eine 20%ige staatliche Beteiligung über den WSF. Um die Auswirkungen der Beihilfe auf den Wettbewerb abzufedern, hat die Kommission die Genehmigung auf Grundlage des Temporary Frameworks mit einer Reihe von Auflagen verbunden: u.a. Vergütungsbeschränkungen für Vorstand und Management, Abgabe von Slots.
Auch der Fluggesellschaft Condor ist das Beihilfenrecht nicht fremd. Die Airline war Teil der seit September 2019 in Insolvenz befindlichen Thomas Cook Group. Nach Eröffnung dieses Insolvenzverfahrens geriet auch die Condor in Liquiditätsschwierigkeiten. Ein KfW-Darlehen iHv. 380 Mio. € (verbürgt durch den Bund und das Land Hessen) wurde von der Kommission am 14. Oktober 2019 als Rettungsbeihilfe genehmigt (Staatliche Beihilfe SA.55394). Der geplante Verkauf an die polnische Fluggesellschaft LOT scheiterte jedoch aufgrund Corona-bedingter eigener Schwierigkeiten des potentiellen Käufers. Auch hier musste der Staat wieder helfen. Am 27. April 2020 genehmigte die Kommission ein weiteres (staatlich verbürgtes) Darlehen der KfW iHv. 550 Mio. € auf Grundlage von Art. 107 Abs. 2 b AEUV als Ausgleich für den Corona-bedingten Schaden der Airline (Staatliche Beihilfe SA. 56867).

Was bisher geschah

1. Akt

Condor hält die mit der Genehmigung der Beihilfen verbundenen Auflagen der Lufthansa nicht für ausreichend um Auswirkungen auf den Wettbewerb zu verhindern. Daher hat die Fluggesellschaft am 12. Februar 2021 Nichtigkeitsklage gegen den Beschluss der Kommission beim Gericht der Europäischen Union eingelegt (Rs. T-87/21).

2. Akt

Die Antwort der Lufthansa war deutlich. Sie kündigte ein sog. „Special Prorate Agreement“ mit der Condor. Als Begründung wird die Fokussierung auf das Feriengeschäft genannt. Die Lufthansatochter Eurowings-Discover wird ab Sommer 2021 eigene Langstreckenflüge anbieten und dabei mit dem Angebot der Condor in Wettbewerb gehen. Dann benötigte diese die Anschlussflüge der Lufthansa.
Das „Special Prorate Agreement“ hat die Condor bislang in die Lage versetzt, ihre Langstreckenflüge von Frankfurt inklusive Zubringerflüge der Lufthansa anzubieten. Das Risiko von Verspätungen der Feeder-Flights lag dabei bei der Lufthansa. Nun steht die Condor ab 1. Juni voraussichtlich ohne die Lufthansa-Anschlüsse da. Umsteigeverbindungen mit wechselnden Fluggesellschaften lassen sich insbesondere durch Reiseveranstaltung insgesamt schwerer vermarkten, die Kombination von Lufthansa und Condor ist für viele Reisende dabei immer noch ein Zeichen von „Zuverlässigkeit“. Der Rat der Lufthansa, die Passagiere zukünftig für einen Flug ab Frankfurt in die Bahn zu setzen, ist aus Sicht von Condor keine wirkliche Alternative.

3. Akt

Gegen das Vorgehen der Lufthansa legte Condor beim Kartellamt Beschwerde ein. Das Kartellamt kommt zu der vorläufigen Einschätzung, dass an der Beschwerde was dran ist, da die Lufthansa mit der Kündigung des Vertrages möglicherweise ihre marktbeherrschende Stellung in ungebührlicher Weise ausnutze. Auch wenn noch kein abschließender Beschluss des Kartellamts vorliegt, rudert die Lufthansa nach Presseinformationen zurück. Die Fortführung der Verträge erscheint daher derzeit nicht ausgeschlossen.

4. Akt

Die EU-Kommission tritt auf. Den Medien ist zu entnehmen, dass die Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager über das Verhalten der Lufthansa „not amused“ gewesen sein soll. Bestehe doch die Gefahr, dass die Beihilfen zu wettbewerbswidrigem Verhalten genutzt würden. Aber das war nicht der einzige Stein des Anstoßes: Die Lufthansa hatte außerdem 25 Mio. € an Gläubiger einer Hybridanleihe gezahlt, ohne die Kommission darüber vorab zu informieren. Diese Zahlung sei notwendig gewesen, um den Finanzmarkt nicht zu verunsichern – erklärt Lufthansa. Verunsichert wurde durch dieses Vorgehen jedoch die Wettbewerbskommissarin, weil die Lufthansa damit gegen Auflagen der Genehmigung verstoßen hat. Gläubiger und Aktionäre dürfen nach dem Temporary Framework bis zum endgültigen Ausstieg des Staates aus der Rekapitalisierung grundsätzlich nicht bedient werden. Neben dem Verbot Boni an die Geschäftsführung zu gewähren soll damit ein Anreiz gesetzt werden, die Anteile, die der Staat mit seiner Beteiligung an dem Beihilfenempfänger übernommen hat, schnellstmöglich wieder zu zurück zu kaufen.

Finale

Ein Finale ist bisher noch nicht in Sicht, die weitere Handlung nur zu erahnen. Es ist einiges Porzellan zerschlagen worden, dass von den deutschen Behörden zusammenzukehren ist. Es werden Fragen von der Kommission gestellt, die unangenehm werden könnten. Können diese von deutscher Seite nicht zufriedenstellend beantwortet werden, droht der Lufthansa schlimmstenfalls die Rückforderung der Beihilfen. Um das zu verhindern, wird das, was auf beihilferechtlicher Ebene nicht geklärt werden kann auf politischer Ebene zu verhandeln sein. Allerdings hat es Frau Vestager in der Vergangenheit auch schon mit größeren Playern aufgenommen und wird daher nicht davor zurückschrecken, der Lufthansa zu zeigen, dass auch über den Wolken die Freiheit nicht grenzenlos ist, sondern auch dort das Beihilfenrecht gilt.

Diesen Beitrag verfasste Rechtsanwältin Gabriele Quardt in ihrer Zeit bei Müller-Wrede & Partner

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