Das EuG hat am 16. Oktober 2014 die Nichtigkeitsklage des rumänischen Energiekonzerns Alpiq gegen den Eröffnungsbeschluss der Kommission als unzulässig abgewiesen. Klagegegenstand war die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens im Hinblick auf potenziell beihilferelevante Verträge. Das Gericht argumentierte, dass Alpiq im Hinblick auf den Eröffnungsbeschluss nicht klagebefugt gewesen sei, da die in Frage stehenden Maßnahme zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits vollständig durchgeführt worden seien.
Flashback – Was war geschehen? In seinem Lufthansa-Urteil hatte der EuGH entschieden, dass ein Beschluss der Kommission zur Einleitung eines förmlichen Prüfverfahrens weitgehende Rechtswirkungen erzeugt. Nationale Gerichte seien ab dem Eröffnungsbeschluss bis zu einer abschließenden Entscheidung der Kommission gegebenenfalls an den Eröffnungsbeschluss gebunden. Zu diesem Zweck könne das Gericht auch vorläufige Maßnahmen zur Aussetzung der möglichen Beihilfe beschließen. Die Frage, ob nationale Gerichte nach Eröffnung eines förmlichen Prüfverfahrens, verpflichtet sind, von einem beihilfenrechtlichen Verstoß auszugehen und die Aussetzung der streitigen Maßnahme und die Rückforderung bereits gezahlter Beträge anzuordnen, konnte jedoch auch die Lufthansa Entscheidung nicht abschließend klären. Viele sahen in der Entscheidung im Hinblick auf den effet utile jedoch eine Bindung nationaler Gerichte an den Eröffnungsbeschluss der Kommission trotz bestehendem Ermessensspielraum der nationalen Gerichte. Viele Unternehmen erhoben daraufhin Klage beim EuG gegen Eröffnungsbeschlüsse, die die als Beihilfenempfänger bezeichneten, da sie davon ausgingen, dass die nationalen Gerichte gerade bei Wettbewerberklagen präjudiziert seien. Die Entscheidung – Eine Antwort hinterlässt viele offene Fragen… Im März 2013 erhob daher auch Alpiq Nichtigkeitsklage beim EuG gegen einen Eröffnungsbeschluss, demnach die Kommission ein potenzielles Beihilfenelement in Vorzugstarifen sah, die Alpiq begünstigten. Das EuG entschied daraufhin, dass der Eröffnungsbeschluss in Bezug auf eine bereits durchgeführte Beihilfe gegenüber dem Begünstigten keine Rechtswirkung entfalte, die eine Klagebefugnis begründen könnte. Das EuG bezog sich dabei auf die Entscheidung in Sachen des EuGH in Sachen CELF, wonach die nationalen Gerichte keineswegs immer zur (vorläufigen) Anordnung von Maßnahmen hinsichtlich der zu prüfenden Beihilfe verpflichtet seien. Vielmehr seien die in der Entscheidung CELF aufgestellten Grundsätze anwendbar, wonach die nationalen Gericht nur dann zum Erlass von Schutzmaßnahmen verpflichtet seien, wenn:
- Die Qualifizierung als staatliche Beihilfe nicht zweifelhaft ist.
- Die Durchführung der Beihilfe unmittelbar bevorsteht.
- Die Beihilfe durchgeführt wurde und wenn keine außergewöhnlichen Umstände, die eine Rückforderung unangemessen erscheinen lassen, festgestellt worden sind.
Daraus ergebe sich die maßgebliche Unterscheidung zwischen Beihilfen die sich noch in der Durchführung befänden und bereits ausgereichten Beihilfen. Das Durchführungsverbot betreffe nur Erstere, da die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens in diesem Fall die Auskehr der Begünstigung verhindere. Für bereits abgeschlossene Beihilfen sei die Situation anders, da in diesem Fall die Rückforderung einer erst im Rahmen einer Wettbewerberklage vor den nationalen Gerichten angeordnet werden könne. Bei der Beurteilung der Beihilfenqualität der betreffenden Maßnahme habe das nationale Gericht dabei die in CELF aufgestellten Grundsätze zu beachten. Es sei also nicht – wie die Lufthansa Entscheidung vermuten ließe – durch den Eröffnungsbeschluss in seiner Bewertung präjudiziert. Das EuG nimmt auch zu den weiteren Argumenten der Kläger Stellung. Danach führe auch die Verpflichtung zur Rückstellungsbildung der betreffenden Unternehmen nicht zu einem anderen Ergebnis. Es handele sich dabei lediglich um eine Managemententscheidung, die das betroffene Unternehmen aufgrund der anwendbaren nationalen Rechnungslegungsvorschriften treffe. Der darüber hinaus vorgebrachte Einwand der geschäftlichen Unsicherheit sei greife auch nicht durch, da es sich nicht um eine verbindliche Rechtswirkung des Eröffnungsbeschlusses handele, sondern lediglich um tatsächliche Folge. Ausblick Diese mit Spannung erwartete Entscheidung des EuG löst scheinbar ein Problem; stellt jedoch in puncto Rechtssicherheit einige Hürden auf. Gerade nationale Gerichte, die im Rahmen eines Rechtsstreits mit der Frage konfrontiert sind, ob eine staatliche Beihilfe vorliegt können wohl nicht mehr ohne weiteres von einer Bindungswirkung des Eröffnungsbeschlusses ausgehen. Gleichzeitig steht die Lufthansa-Entscheidung im Raum, so dass wohl die Parteien des Rechtsstreits sich auf die für sie günstigere Entscheidung aus Luxemburg stützen werden. Dem nationalen Gericht wird dann wohl nichts weiter übrig bleiben, als die Rechtsache wiederum in Luxemburg vorzulegen. Ob die Entscheidung also tatsächlich zu einer Entlastung der Europäischen Gerichte führt, bleibt demnach fraglich.
*Diesen Beitrag schrieb Désirée von Wietzlow während ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin bei MWP.