How to recover the Irish tax on air passengers? Und: Ein paradoxer Fall des Zusammentreffens von Beihilfenrecht und Dienstleistungsfreiheit

Steuerliche Beihilfen sind seit den Untersuchungen der Kommission zur Handhabung von Steuervorbescheiden („Tax rulings“) in den Mitgliedstaaten und den prominenten Prüfverfahren betreffend Starbucks, Apple, Amazon, etc. in aller Munde. Die Kommission hat inzwischen sogar eine eigene Website zu dem Themenkomplex eingerichtet, über die u.a. ein Arbeitspapier der GD Wettbewerb („Working Paper on State Aid and Tax Rulings“) abgerufen werden kann, dass deren bisherigen Erkenntnisse zusammenfasst. Während sich die Diskussion in der Regel um die Frage dreht, ob eine bestimmte Steuermaßnahme als Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV zu qualifizieren ist – sie insbesondere als selektive Begünstigung einzuordnen ist – hat sich der EuGH in den Verfahren „Aer Lingus“ und „Ryanair“ (C-164/15 P und C-165/15 P) bereits mit interessanten Fragen zur Rückforderung beihilfenrechtswidriger Steuern zu beschäftigen. Auf Rechtsmittel der Kommission gegen die Urteile des EuG vom 5. Februar 2015 (Rs. T-473/12 und T-500/12) ist zu klären, ob und inwieweit die Kommission bei der Bestimmung des zurückzufordernden Beihilfenbetrages berücksichtigen muss, dass die begünstigten Unternehmen den mit einer ermäßigten Verbrauchssteuer verbundenen Vorteil an ihre Kunden weitergereicht haben. Zudem stellt sich in den Verfahren die Frage nach dem Verhältnis von Beihilfenrückforderung und den Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV). Generalanwalt Mengozzi hat am 5. Juli 2016 seine Schlussanträge vorgelegt.

Im Fokus: Die irische Fluggaststeuer

Im Fokus des dem Rechtsstreit zugrundeliegenden Beihilfeverfahrens steht die von Irland im Jahr 2008 eingeführte „Fluggaststeuer“; eine Verbrauchssteuer, die bei jedem Abflug eines Fluggastes von einem irischen Flughafen fällig wurde. Erhebung und Abführung erfolgen direkt durch die betroffenen Fluggesellschaften. Zum Zeitpunkt ihrer Einführung wurde die Fluggaststeuer nach der Entfernung zwischen dem Startflughafen und dem Zielflughafen berechnet und betrug 2 € bei Flügen zu einem Zielflughafen, der nicht mehr als 300 km vom Flughafen Dublin entfernt ist und 10 € in allen anderen Fällen. Nachdem die Kommission gegen die unterschiedliche Besteuerung von Inlands- und europäischen Flügen ein Vertragsverletzungsverfahren wegen der möglichen Verletzung der Dienstleistungsfreiheit eingeleitet hatte, änderte Irland den Steuersatz ab 2011 auf einheitlich 3 EUR ab.

Das wegen der differenzierten Fluggaststeuersteuersätze zwischenzeitlich eingeleitete förmliche Prüfverfahren (SA.29064) schloss die Kommission am 25. Juli 2012 mit der Feststellung ab, dass der niedrige Steuersatz von 2 EUR eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfe zugunsten der Fluggesellschaften darstellt, die Flugverbindungen bedienten, auf die dieser Steuersatz anwendbar war. Irland wurde zur Rückforderung der Beihilfe verpflichtet, wobei die Kommission den selektiven Vorteil der Fluggesellschaften und damit den Rückforderungsbetrag mit der Differenz zwischen dem Standardsatz von 10 EUR und dem niedrigen Steuersatz, mithin 8 EUR pro Fluggast (zzgl. Zinsen), bezifferte.

Zwischenlandung vor dem EuG

Die Fluggesellschaften Aer Lingus und Ryanair, im Negativbeschluss namentlich als Begünstigte der niedrigeren Fluggaststeuer benannt, fochten die Entscheidung jeweils vor dem EuG an. Dabei brachten sie u.a. vor, die Kommission habe bei der Bemessung des wirtschaftlichen Vorteils bzw. des Rückforderungsbetrages mit 8 EUR pro Fluggast fehlerhaft unberücksichtigt gelassen, dass es sich bei der Fluggaststeuer um eine Verbrauchssteuer handele, die von den Fluggesellschaften auf die Fluggäste abgewälzt werden könne. Die wahren Begünstigten eines niedrigeren Steuersatzes seien somit die Fluggäste. Jedenfalls aber führe die pauschale Festlegung der rechtswidrigen Beihilfe auf die Differenz zwischen den Steuersätzen dazu, dass von den Fluggesellschaften mehr als der ihnen tatsächlich zugeflossene wirtschaftliche Vorteil zurückgefordert werde.

Das EuG gab den Klägern recht: Es verwies darauf, dass die Kommission bei Anordnung der Beihilfenrückforderung zwar nicht verpflichtet sei, den exakten Betrag der zu erstattenden Beihilfe zu beziffern. Entscheide sie sich allerdings dafür, müsse sie den Beihilfenwert so genau quantifizieren, wie es die Umstände des Falles zuließen. Dazu hätte die Kommission im vorliegenden Fall die Eigenschaft der Fluggaststeuer als Verbrauchssteuer berücksichtigen und aufklären müssen, inwieweit die Fluggesellschaften den Vorteil eines ermäßigten Steuersatzes tatsächlich an ihre Passagiere weitergegeben hätten. Die Annahme, dass den Fluggesellschaften in Höhe der Differenz der Steuersätze begünstigt seien, sei nur gerechtfertigt, wenn diese trotz der niedrigeren Besteuerung ihre Ticketpreise systematisch erhöht hätten und sich somit tatsächlich einen Vorteil in Höhe von 8 EUR pro Passagier verschafft hätten. Die Kommission habe in ihrer Entscheidung aber nicht erörtert, dass die Fluggesellschaften sich so verhalten hätten und nicht einfach die Fluggaststeuer in der jeweiligen Ausgestaltung an die Passagiere weiterreichten. Auf dieser Grundlage und ohne eine Auseinandersetzung mit der Marktsituation könne aber nicht angenommen werden, dass der rechtswidrige Beihilfenvorteil stets der in der Differenz zwischen den zwei Steuersätzen liege.

Generalanwalt Mengozzi erteilt der Kommission Startfreigabe

Die Kommission hat gegen diese Feststellungen Rechtsmittel eingelegt, während die Fluggesellschaften sich mit Anschlussrechtsmitteln gegen die Zurückweisung ihrer Argumente zur fehlerhaften Beihilfenqualifizierung der niedrigeren Steuer durch die Kommission, insbesondere die Nichtberücksichtigung des Verstoßes gegen Art. 56 AEUV, wehren. Generalanwalt Mengozzi hält die Anschlussrechtmittel für unbegründet, stimmt mit der Kommission jedoch darin überein, dass sie die zurückzufordernde Beihilfe zu Recht als Differenzbetrag zwischen dem „normalen“ Steuersatz und dem ermäßigten Steuersatz bestimmt hat.

Der Generalanwalt verweist darauf, dass Ziel der Beihilfenrückforderung die Wiederherstellung der Situation vor der rechtswidrig gewährten Beihilfe sei. Bei Beihilfen in Form von Steuervorteilen bedeute dies in der Regel, dass die Begünstigten die Summe zurückzahlen müssten, die der Steuer bzw. ihrer Steuerpflicht entspricht, die nach den Steuergesetzen ohne die rechtswidrige Beihilfe angefallen wäre. Denn auch wenn eine begünstigende Steuer nicht dasselbe wie ein Zuschuss sei, hätte sie doch einen vergleichbaren wettbewerbsverzerrenden Effekt und zwar im Umfang der ersparten Steuerschuld. Der Vorteil in dieser Höhe könne sowohl bei direkten wie auch bei indirekten Steuern (wie einer Verbrauchssteuer) eintreten, sofern der Beihilfenempfänger von Belastungen befreit werde, die er normalerweise aus seinem Budget zu tragen habe. Die Kommission müsse bei der Bestimmung des Rückforderungsbetrages zudem nicht berücksichtigen, wie das jeweilige Unternehmen den Vorteil, den es aus der Beihilfe erlangt hat, eingesetzt hat. Der Beihilfenempfänger habe den direkten wirtschaftlichen Wert der Beihilfe zurückzuerstatten, unabhängig davon, ob er durch diese weitere (indirekte) Vorteile geriert habe, wie z.B. Erhöhung seiner Marktanteile oder Geschäftsentscheidungen getroffen habe, die zum Verlust des Beihilfenbetrages führten. Das mit der Beihilfenrückforderung verfolgte Ziel der Wiederherstellung des status quo ante bedeute zudem nicht, dass 1:1 die Wettbewerbssituation wiederhergestellt werde, die zum Zeitpunkt der Gewährung der Beihilfe existierte. Konsequenz der Beihilfenrückforderung könne daher auch sein, dass die Wettbewerbsposition der Begünstigten schlechter sei, als vor Inanspruchnahme der Beihilfe.

Anders als das EuG sieht der Generalanwalt keinen Grund, dass die Kommission im vorliegenden Fall von einer Rückforderung in Höhe der ersparten Steuer hätte abweichen müssen. Weder seien die Fluggesellschaften gehindert gewesen, die Fluggaststeuer durch eine Reduzierung ihrer Ticketpreise aufzufangen und damit nicht an ihre Kunden weiterzureichen. Noch ändere die Tatsache, dass es sich um eine Verbrauchssteuer handele, etwas daran, dass diese im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Tätigkeit der Fluggesellschaften anfalle und – da die Fluggesellschaften nicht nur Intermediäre sondern die Steuerpflichtigen seien – Auswirkungen auf deren finanzielle Mittel hätten. Jede Reduzierung des Steuersatzes bedeute somit einen direkten Vorteil für die Fluggesellschaften. Ähnlich wie diese entscheiden könnten, die formelle Möglichkeit der Weitergabe der Verbrauchssteuer nicht in eine wirtschaftliche zu übersetzen, könnten sie auch jede Reduzierung der Steuerpflicht profitbringend einsetzen. Im Übrigen sei die Möglichkeit der Kostenabwälzung nicht spezifisch für Verbrauchssteuern, sondern bestünde auch bei direkten Steuern. Die Kostenabwälzung stelle hier einen Umstand dar, der abhängig von der Entscheidung der Fluggesellschaften nach der Gewährung der Beihilfe eintrete. Derartige Umstände hätten – wie bereits das Urteil Alcan für den Einwand der späteren Entreicherung des Begünstigten zeige – aber keine Relevanz für die Bestimmung des Betrages der zurückzufordernden Beihilfe.

Vorschlag des Generalanwalts zur Auflösung des Konflikts zwischen beihilferechtlicher Rückforderungspflicht und grundfreiheitlich veranlasster Erstattung der Fluggaststeuer

Im Ergebnis schlägt Generalanwalt Mengozzi dem EuGH die Teilaufhebung der erstinstanzlichen Urteile sowie die Zurückverweisung an das EuG wegen der noch nicht entschiedenen Klagegründe vor. Auf diese geht der Generalanwalt jedoch auch bereits ein, sollte der Gerichtshof in der Sache abschließend entscheiden wollen. Und diese Ausführungen sind ebenfalls äußerst interessant – betreffen sie doch den Vortrag der Kläger, dass die Kommission die Rückforderung in Höhe der Differenz zwischen den beiden Steuersätzen der Fluggaststeuer nicht hätte anordnen dürfen, da die Fluggesellschaften, auf die der Steuersatz von 10 EUR angewendet wurde das Recht haben, wegen der Verletzung der Dienstleistungsfreiheit vor nationalen Gerichten die Erstattung der Fluggaststeuer zu erwirken.

Der Generalanwalt stellt hierzu fest, dass das mit der Beihilfenrückforderung verbundene Ziel der Beseitigung der Wettbewerbsverzerrung aufs Spiel gesetzt würde, wenn die Kommission der vorliegenden Konstellation nicht anordnen dürfte, dass der betroffene Mitgliedstaat den in der Steuerbefreiung liegenden Betrag der rechtswidrigen Beihilfe zurückzufordern hat. Da die wettbewerbsverzerrenden Effekte der Beihilfe nicht in gleicher Weise durch Erstattungsforderungen nach Art. 56 AEUV beseitigt werden können, insb. nicht sicher ist, dass sämtliche Fluggesellschaften die Erstattung der Steuer national durchsetzen können, sieht der Generalanwalt in der Nichtberücksichtigung dieses Umstandes bei der Rückforderungsanordnung keine Rechtsverletzung.

Der Generalanwalt gibt allerdings zu, dass die parallele Umsetzung der Rückforderungsanordnung und einer Erstattung der Fluggaststeuer zu dem paradoxen und wettbewerbsverzerrenden Ergebnis führen würde, dass einerseits den Unternehmen, die mit dem Steuersatz von 10 EUR besteuert wurden, der Vorteil des ermäßigten Steuersatzes gewährt würde, während von den Unternehmen, die mit diesem besteuert waren, dieser Vorteil als unrechtmäßige Beihilfe gerade entzogen würde. Sein Vorschlag zur Auflösung dieses Konflikts besteht darin, dass die nationalen Gerichte, sobald sie mit Erstattungsklagen befasst sind, den Rückforderungsbeschluss zu beachten und dafür zu sorgen haben, dass der „normale“ Steuersatz von 10 EUR im Ergebnis für alle Flugverbindungen zugrunde gelegt wird. Im umgekehrten Fall würden nämlich lediglich der Kreis der Beihilfenbegünstigten und damit die wettbewerbsschädlichen Effekte der Beihilfe ausgeweitet.

Black Box EuGH?

Es bleibt abzuwarten, wie der EuGH entscheiden wird. Einiges dürfte allerdings dafür sprechen, dass er hinsichtlich des Rechtsmittels der Kommission dem Generalanwalt folgt. Sehr sorgfältig wird der Gerichtshof aber abwägen, in welchem Umfang er sich zu der offenen Frage des Verhältnisses zwischen Beihilfenrückforderung und den Rechtsfolgen einer Verletzung der Dienstleistungsfreiheit äußert. Aus Sicht des Gerichts dürfte zu hoffen sein, dass der Gerichtshof die Beantwortung dieser skurrilen Frage nicht allein ihm anlastet, sondern ihm zumindest Überlegungen an die Hand gibt.

Diesen Beitrag schrieb Rechtsanwältin Julia Lipinsky während ihrer Zeit bei Müller-Wrede & Partner

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