Untreue bei Verstoß gegen das beihilferechtliche Durchführungsverbot?

Der Beschluss des BGH vom 26.11.2015 zum öffentlichkeitswirksam gescheiterten Projekt „Nürburgring 2009“ wiegte den Beihilfenrechtler in der Sicherheit, sich nicht weiter mit dem Straftatbestand der Untreue in § 266 StGB befassen zu müssen, wenn nicht der BGH selbst ein Hintertürchen offen gelassen hätte, aufmerksame Kollegen abweichende Meinungen vertreten würden und in anderen Fallkonstellationen aufgrund des Einsatzes von Mitteln der EU-Struktur- und Investitionsfonds der Schutz der Vermögensinteressen der EU im Auge zu behalten wäre.

Ein Verstoß gegen die europarechtlichen Vorschriften zur Gewährung von Beihilfen begründet keine Pflichtverletzung im Sinne des Untreuetatbestandes; denn diese Regelungen dienen nicht dem Schutz des Vermögens des Beihilfegebers, sondern dem des europäischen Binnenmarktes vor Wettbewerbsverzerrungen“, so der Leitsatz des BGH-Beschlusses. An diesem Grundsatz gibt es nichts zu deuteln. Das EU-Beihilfenrecht liegt außerhalb des Schutzzwecks der Norm. Die Vermögenslage (z.B. des betreffenden Landes) wird nicht dadurch beeinflusst, dass bei einer Infrastruktur- oder Unternehmensförderung in einem Fall gegen das beihilfenrechtliche Durchführungsverbot in Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV verstoßen wird und in einem anderen Fall zuvor die Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt von der Europäischen Kommission festgestellt wird. Wenn der Förderzweck erreicht ist (z.B. Erschließung des Geländes, Errichtung der Hotelanlage) verbessert sich die Vermögenslage der öffentlichen Hand sogar, wenn die Förderung beihilfenrechtswidrig erfolgt und die Kommission die Beihilfenrückforderung anordnet. Das Gelände ist erschlossen, die Hotelanlage errichtet, selbst wenn der Rechtsträger des Beihilfenempfängers aufgrund der Beihilfenrückforderung insolvent wird. Ein Erwerber, der das Gelände bzw. die Hotelanlage vom Insolvenzverwalter erwirbt, kann und wird auf die eine oder andere Weise für einen Weiterbetrieb sorgen; das öffentliche Interesse an der Förderung bleibt gewahrt. Die öffentliche Hand hat nicht nur das Förderziel verwirklicht, sondern verfügt zusätzlich über eine Beihilfenrückforderung.

Selbst ein nur mittelbar vermögensschützenden Charakter des EU-Beihilfenrechts, wie von Koenig/Meyer (NJW 2014, 3547) vorgeschlagen, lässt sich argumentativ nicht belegen. Die bei einer formell und materiell rechtswidrigen Beihilfe obligatorische Beihilfenrückforderung führt zwar zu einem Mittelzufluss bei dem öffentlichen Haushalt, zu dessen Lasten die Beihilfe gewährt wurde. Ziel der Beihilfenrückforderung ist aber der sofortige Entzug der Mittel beim Beihilfenempfänger und nicht die Wiederherstellung der Vermögenslage des Beihilfengebers. Deutlich wird der Unterschied im Insolvenzverfahren, in dem sich der staatliche Gläubiger der Beihilfenrückforderung selbst dann gegen eine Betriebsfortführung aussprechen muss, wenn diese einen höheren Mittelrückfluss verspricht.

Brand (NZG 2016, 690) möchte entgegen der Auffassung des BGH für eine untreuerelevante Pflichtverletzung genügen lassen, dass ein Verstoß gegen das EU-Beihilfenrecht den Einsatz von Treugebervermögen voraussetzt. Er verweist aber auch auf die Konnexität zu haushaltsrechtlichen Bestimmungen, die vermögensschützenden Charakter aufweisen. Ein Verstoß gegen das EU-Beihilfenrecht ist zwar nicht zwangsläufig ein Verstoß gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit, möglicherweise aber gegen den Grundsatz der Notwendigkeit (§ 6 BHO bzw. LHO). Kann eine Ausgabe, die gegen das beihilferechtliche Durchführungsverbot verstößt, zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe notwendig sein?

Einen haushaltsrechtlichen Bezug hat auch das Hintertürchen, das der BGH offen gehalten hat. Der BGH verweist auf die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften, die dem Verstoß gegen das beihilfenrechtliche Durchführungsverbot zugrunde liegen (§ 134 BGB i.V.m. Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV). Die Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht liegt zumindest nahe, wenn Leistungen rechtsgrundlos oder ohne rechtswirksame Absicherung erbracht werden. Fraglich ist, ob eine Flucht ins Zuwendungsrecht helfen würde, da Verwaltungsakte bei einem Verstoß gegen das beihilfenrechtliche Durchführungsverbot zwar rechtswidrig, meistens aber nicht nichtig sind (§ 44 VwVfG).

Der verständliche Wunsch eines jeden sparsamen Haushälters, bei der Förderung auf fremde Mittel zurück zu greifen (und dennoch die Lorbeeren zu ernten) zieht – sofern Mittel der EU-Struktur- und Investitionsfonds beihilfenrechtswidrig eingesetzt werden – komplexere Prüfungen der Verletzung etwaiger Vermögensbetreuungspflichten zum Schutz der Vermögensinteressen der EU nach sich. Ein Verstoß gegen das beihilferechtliche Durchführungsverbot dürfte insoweit im Regelfall gleichzeitig einen Verstoß gegen Art. 59 der Haushaltsverordnung der EU (VO 966/2012) darstellen. Nach einer Bund-Ländervereinbarung aus dem Jahr 2014 sind in Deutschland die bei den Ländern angesiedelten Verwaltungsbehörden zusammen mit den Prüfbehörden für die Verwaltung und Kontrolle dieser Unionsmittel zuständig. Ob auch Außenstehende von Vermögensbetreuungspflichten betroffen sein können, wird noch zu klären sein. Aber auch für diese Prüfung werden die Vorgaben des BGH-Beschlusses hilfreich sein.

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