Alles klar nach Eesti Pagar? Begrenzung der Rückforderung rechtswidriger Beihilfen durch Anwendung der AGVO

Mit dem Urteil in der Rechtssache „Eesti Pagar“ (C-349/17 vom 05.03.2019) hat der EuGH deutlich gemacht, dass die beihilfegewährenden Stellen – ebenso wie die nationalen Gerichte – die Verantwortung trifft, für die volle Wirksamkeit des beihilferechtlichen Durchführungsverbots (Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV) zu sorgen. Hieraus folgt u.a., dass Beihilfengeber grundsätzlich für die Rückforderung einer Beihilfe…

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Unmöglichkeit der Beihilfenrückforderung bleibt fast immer unmöglich!

Stellt die Kommission die Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Binnenmarkt fest, hat sie grundsätzlich den betroffenen Mitgliedstaat zur Rückforderung dieser Beihilfe zu verpflichten. Dies folgt nicht nur aus der ständigen Rechtsprechung des EuGH sondern auch aus Art. 16 Abs. 1 der Beihilfenverfahrensverordnung (VO 2015/1589). Die Beihilfenrückforderung ist die logische und normale Folge der Feststellung der Rechtswidrigkeit von Beihilfen und zielt auf die Beseitigung der durch die rechtswidrige Beihilfe hervorgerufenen Wettbewerbsverzerrung ab. Von der Anordnung bzw. der Durchsetzung der Rückforderung kann die Kommission daher nur in Ausnahmefällen und nur unter sehr engen Voraussetzungen absehen. Dies wird einmal mehr durch das am 6. November 2018 ergangene Urteil der großen Kammer des EuGH in den verbundenen Rechtssachen „Scuola Elementare Maria Montessori Srl“ (C-622/16 P, C-623/16 P) und „Pietro Feracci“ (C-624/16 P) verdeutlicht. Der Gerichtshof bestätigt zwar, dass die Kommission im Fall einer bereits im förmlichen Prüfverfahren festzustellenden absoluten Unmöglichkeit der Beihilfenrückforderung bereits auf deren Anordnung verzichten muss. Die Hürden für den Beleg eines solchen Ausnahmefalls sind allerdings hoch – und zwar sowohl für den betroffenen Mitgliedstaat als auch für die Kommission.

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Same same but different? Das EuG stuft die gesetzliche Krankenversicherung in der Slowakei als wirtschaftliche Tätigkeit ein

In Deutschland ringen die potentiellen GroKo-Partner derzeit um eine künftige Angleichung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Beihilferechtlich schien die Lage seit dem Grundsatzurteil des EuGH in Sachen „AOK Bundesverband u.a.“ geklärt: die Krankenkassen der gesetzlichen Krankenversicherung sind Teil des Systems der sozialen Sicherung und konkurrieren weder miteinander noch mit den Privaten bei der Erbringung der gesetzlichen Versicherungsleistungen – ihre Tätigkeit ist daher nicht-wirtschaftlicher Art. Mit einem Urteil vom 5. Februar 2018 hat das EuG dies für die gesetzliche Krankenversicherung in der Slowakei anders gesehen: Es entschied, dass die Kommission in ihrem Beschluss vom 15. Oktober 2014 (SA.23008) zu Unrecht angenommen habe, dass die dortigen gesetzlichen Krankenkassen keine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben (Rs. T-216/15). Dabei stellt das Gericht ganz wesentlich darauf ab, dass die gesetzlichen Krankenversicherer – wenn auch gesetzlich eingeschränkt – Gewinne erzielen und ausschütten dürfen sowie zwischen ihnen ein gewisses Maß an Wettbewerb hinsichtlich der Qualität und des Umfangs der erbrachten Leistungen besteht. Das Urteil zeigt exemplarisch auf, dass die Einführung wettbewerblicher Elemente in ein System der sozialen Sicherung zur Änderung des nicht-wirtschaftlichen Charakters führen kann.  (mehr …)

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Ein wenig (Nord)Licht für die beihilferechtliche Beurteilung von Tourismusförderung


Seit dem 10.07.2017 ist die durch die VO 2017/1084 erweiterte AGVO in Kraft. Diese bringt insbesondere neue Freistellungstatbestände für Regionalflughäfen und Häfen sowie Vereinfachungen für Kulturbeihilfen mit sich (vgl. Blogbeitrag vom 19.05.2017). Nicht durchgesetzt hat sich indes der im Konsultationsverfahren besonders durch Deutschland vorgetragene Wunsch nach einem Freistellungstatbestand für Tourismusbeihilfen. Angesichts der fehlenden Entscheidungspraxis der Kommission ist dies zwar verständlich, beseitigt allerdings nicht die Unsicherheiten, die bei der öffentlichen Finanzierung von Maßnahmen der Tourismusförderung bestehen (vgl. hierzu auch den Blogbeitrag vom 11.04.2016). Etwas Hilfestellung vermag die bereits am 04.11.2015 ergangene, aber erst jetzt im Amtsblatt der EU veröffentlichte Entscheidung der EFTA-Überwachungsbehörde zu geben, in der sich diese mit mutmaßlichen Beihilfen zugunsten der norwegischen Wirtschaftsförderungseinrichtung Innovation Norwegen sowie regionaler Tourismusverbände und Destinationsmanagementorganisationen auseinander gesetzt hat (Entscheidung Nr. 469/15/COL). (mehr …)

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Religiöse, bildende oder doch wirtschaftliche Tätigkeit ? Auch Religionsgemeinschaften können der Beihilfenkontrolle unterfallen

In einem ungewöhnlich schnell auf die Schlussanträge von Generalanwältin Kokott folgenden Urteil hat sich die Große Kammer des EuGH am 27.Juni 2017 dazu geäußert, dass auch staatliche Begünstigungen für Religionsgemeinschaften dem Beihilfenverbot unterfallen können (Urteil in der Rs. C-74/16 – Congregación de Escuelas Pías Provincia Betania). Dem Urteil liegt ein Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts Nr. 4 von Madrid zugrunde. Dieses ist im Ausgangsverfahren mit dem Einwand der Gemeinde Getafe konfrontiert, die Befreiung von einer Gemeindesteuer auf die sich die katholische Kirche aufgrund eines vor dem Beitritt Spaniens zur EU geschlossenen Abkommens mit dem Heiligen Stuhl berufe, könne nur für Tätigkeiten gelten mit denen reinreligiöse Zwecke verfolgt würden. Ohne eine entsprechende Einschränkung sei die völkerrechtlich vereinbarte Steuerbefreiung angesichts des Umfangs der wirtschaftlichen Betätigung der katholischen Kirche nicht mit dem europäischen Beihilfenrecht vereinbar. Die vom Verwaltungsgericht vorgelegte Frage, ob in der entsprechenden Steuerbefreiung eine rechtswidrige staatliche Beihilfe liegen könne, hat der EuGH dem Grunde nach bejaht. Der Gerichtshof fasst dabei grundlegende Aussagen zum seinem Verständnis des Beihilfenbegriffs – insbesondere zur Abgrenzung von wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Tätigkeit – zusammen. (mehr …)

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