Im Rahmen einer Vorlagefrage des Obersten Gerichts der Tschechischen Republik hatte sich der EuGH in der Rs. C-700/22 mit der Frage zu befassen, ob ein nationales Gericht auch nach Ablauf der Verjährungsfrist des Art. 17 Abs. 1 VO 2015/1589 von 10 Jahren zur Rückforderung einer Beihilfe verpflichtet ist.
Der EuGH verweist zunächst auf die durch ständige Rechtsprechung gefestigte Rollenverteilung zwischen Kommission und nationalen Gerichten: Die Kommission hat die Vereinbarkeit von Beihilfen mit dem Binnenmarkt zu überprüfen während die nationalen Gerichte über die Wahrung der Rechte einzelner bei Verstoß gegen das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 AEUV zu wachen haben.
Stellt die Kommission fest, dass eine entgegen dem Durchführungsverbot gewährte (formell rechtswidrige) Beihilfe nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar ist, erlässt sie einen Rückforderungsbeschluss (Art. 16 VO 2015/1589). Diese Rückforderungspflicht findet ihre Grenze in Art. 17 Abs. 1 VO 2015/1589, wenn die Beihilfe vor mehr als 10 Jahren gewährt worden ist. Die Beihilfe wird dann zu einer sog. „bestehenden Beihilfe“ gem. Art. 1 lit. b. Ziff. iv VO 2015/1589. Der EuGH stellt in seinem Urteil vom 7. Dezember 2023 in diesem Zusammenhang klar, dass auch wenn eine formell rechtswidrige Beihilfe zu einer bestehenden Beihilfe wird, sie damit nicht rückwirkend legalisiert wird. Sie bleibt damit weiterhin formell rechtswidrig.
Art. 17 Abs. 1 VO 2015/1589 beinhaltet ausschließlich eine Regelungsbefugnis für die Kommission – nicht für die Mitgliedstaaten. Die Rückforderung von Beihilfen hat auf Grundlage der rechtlichen Vorgaben der Mitgliedstaaten zu erfolgen. Bereits in seinem Urteil in der Rechtssache Eesti Pagar (C-349/17 Rn. 109) hat der EuGH diesbezüglich ausgeführt, dass sich die Verjährung einer Rückforderung durch nationale Gerichte nach den nationalen Vorschriften zu richten hat und diesbezüglich auch keine entsprechende Anwendung von Art. 17 Abs. 1 VO 2015/1589 erfolgen darf.
Im Ergebnis heißt das, dass nach Ablauf der 10-Jahresfrist des Art. 17 Abs. 1 VO eine Beihilfe, die entgegen dem Durchführungsverbot gewährt wurde zwar von der Kommission nicht mehr zurückgefordert werden kann. Auch wenn die Beihilfe dadurch zu einer bestehenden Beihilfe wird, ist diese mangels Legalisierungswirkung von nationalen Gerichten im Rahmen der nationalen Fristen zurückzufordern. Entsprechendes müsste damit auch für die Rückforderungspflicht nationaler Behörden gelten, soweit diese selbst die Rechtswidrigkeit der von Ihnen gewährten Beihilfen feststellen.
Diesen Beitrag verfasste Rechtsanwältin Gabriele Quardt in ihrer Zeit bei Müller-Wrede Rechtsanwälte