Das Medienfreiheitsgesetz verschafft keine Freiheit vom Beihilfen- und Vergaberecht

Das Europäische Medienfreiheitsgesetz (EMFA) – eigentlich die VO 2024/1083 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. April 2024 – ist veröffentlicht, in Kraft getreten und wird, von einigen Ausnahmen abgesehen, ab dem 8. August 2025 gelten. Bis dahin sollte die Zeit genutzt werden, offene Fragen zu klären:

Das Medienfreiheitsgesetz definiert u.a. Rechte und Pflichten der Mitgliedstaaten und ihrer Einrichtungen sowie der privaten und öffentlich-rechtlichen Mediendiensteanbieter. Mediendiensteanbieter, so die gesetzliche Definition, stellen in eigener redaktioneller Verantwortung der Allgemeinheit Sendungen oder Presseveröffentlichungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung bereit. Es kann sich um eine natürliche oder juristische Person handeln, die Bereitstellung soll aber im Rahmen einer Berufsausübung oder wirtschaftlicher Tätigkeit erfolgen müssen. Die (dauerhaft) unentgeltliche Bereitstellung dürfte nicht erfasst sein, wobei das Entgelt nicht zwangsläufig vom Empfänger bzw. Nutzer des Mediendienstes stammen muss. Ist die Verbreitung von redaktionell aufgearbeitetem Bildungsmaterial, das unentgeltlich bereitgestellt wird, damit vom Anwendungsbereich des EMFA erfasst oder nicht?

Mediendiensteanbieter haben gemäß Art. 4 Abs. 1 EMFA das Recht, ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten im Binnenmarkt ohne andere als die gemäß dem Unionsrecht zulässigen Beschränkungen auszuüben. Bedeutet dies, dass Beihilfen, die nach Art. 107 Abs. 1 AEUV grundsätzlich verboten sind, nicht oder nur noch gewährt werden dürfen, wenn sie einen konkurrierenden (privaten) Mediendiensteanbieter nicht beeinträchtigen?

Das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Art. 5 Abs. 3 EMFA statuiert eine angemessene, nachhaltige und vorhersehbare Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Mediendiensteanbieter, damit diese ihren Auftrag unter Berücksichtigung ihrer redaktionellen Unabhängigkeit erfüllen können. Die primärrechtlichen Bestimmungen des Beihilferechts werden durch das EMFA zwar nicht abbedungen, so dass nicht freigestellte Beihilfen der Europäischen Kommission weiterhin notifiziert werden müssen. Das Ermessen der Europäischen Kommission, Beihilfen für öffentlich-rechtliche Mediendiensteanbieter mit dem Binnenmarkt für vereinbar zu erklären, wird durch diese Bestimmung jedoch gebunden.

Etwas bizarr mutet die Transparenzregelung in Art. 6 Abs 1 lit. d) EMFA an, wonach Private und öffentlich-rechtliche Mediendiensteanbieter verpflichtet werden, die Werbeeinnahmen aus staatlichen Mitteln (auch die von Drittstaaten) zugänglich zu machen, nicht aber staatliche Mittelzuflüsse für andere Zwecke.

Eine interessante Wahlmöglichkeit könnte sich einem Beschwerdeführer bieten, der sich durch Beihilfen zugunsten konkurrierender privater oder öffentlich-rechtlicher Mediendiensteanbieter oder die Ablehnung einer Förderung beeinträchtigt sieht. Das wäre der Fall, wenn eine Beihilfe als Legislativ-, Regulierungs- oder Verwaltungsmaßnahme im Sinne des Art. 21 EMFA anzusehen wäre, die den Medienpluralismus oder die redaktionelle Unabhängigkeit eines im Binnenmarkt tätigen Mediendiensteanbieters beeinträchtigen kann. Art. 21 Abs. 1 EMFA bestimmt weiter, dass derartigen Maßnahmen hinreichend gerechtfertigt und verhältnismäßig sowie begründet, transparent, objektiv und nichtdiskriminierend sein müssen und innerhalb einer vorher festgelegten Frist abgeschlossen werden müssen. Absatz 3 regelt, dass der beeinträchtigte Mediendiensteanbieter das Recht hat, bei einer Beschwerdestelle Beschwerde gegen die Maßnahme zu erheben, also auch gegen eine dem Konkurrenten gewährte Beihilfe oder einen zurückgewiesenen Förderantrag. Voraussetzung ist die individuelle und unmittelbare Betroffenheit. Die Beschwerdestelle soll auch von Amts wegen tätig werden können. Das Verfahren bei der Beschwerdestellte besteht neben der Möglichkeit der Wettbewerbsbeschwerde bei der Europäischen Kommission.

Die größte Auswirkung auf das Beihilfe- und Vergaberecht dürfte die Bestimmung in Art. 25 EMFA über die Zuweisung öffentlicher Mittel für staatliche Werbung und Liefer- oder Dienstleistungsaufträge zeigen. Diese Bestimmung, so ihr Wortlaut, berührt nicht die unionsrechtlichen Vorschriften zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen oder Konzessionen und die Anwendung der beihilferechtlichen Vorschriften. Sie ergänzt diese aber dahingehend, dass staatliche Mittel für Werbung oder andere Liefer- oder Dienstleistungsaufträge von Mediendiensteanbietern (und Anbietern von Online-Plattformen) nur nach transparenten, objektiven, verhältnismäßigen und nichtdiskriminierenden Kriterien eingesetzt werden dürfen, die vorab öffentlich auf elektronischem und benutzerfreundlichem Weg zur Verfügung gestellt werden, und zuvor ein offenes, verhältnismäßiges und nichtdiskriminierendes Verfahren durchgeführt werden muss. Ein Verfahren ohne Teilnahmewettbewerb dürfte diesen Vorgaben grundsätzlich nicht entsprechen. Jedenfalls wird das EMFA bei der Beschaffung von Leistungen von Mediendiensteanbietern mitzudenken sein. Die Bestimmung kann auch als Vorgabe für eine Losaufteilung verstanden werden, da die Mittel unter Berücksichtigung der nationalen und lokalen Besonderheiten der betreffenden Medienmärkte auf eine große Vielfalt verschiedener auf dem Markt vertretener Mediendiensteanbieter verteilt werden sollen.

Da auch die mittelbare Gewährung von Mitteln oder Vorteilen von der Bestimmung erfasst wird, hilft auch die Einschaltung von Agenturen nicht aus dem Anwendungsbereich von Art. 25 EMFA heraus.

In welchem Umfang das EMFA Medienschaffenden Freiheit verschafft wird sich noch zeigen. Zusätzliche Verfahren und bürokratischer Aufwand wird sich dagegen kaum vermeiden lassen.

Diesen Beitrag schrieb Rechtsanwalt Christoph von Donat während seiner Zeit bei Becker Büttner Held

Schreibe einen Kommentar