Beihilferecht vs. Bail-out-Verbot

I.
Das Urteil des Gerichts in Rs. T-427/12 – Österreich/Kommission markiert eine Etappe in der juristischen Auseinandersetzung um die Verstaatlichung des mittlerweile zerschlagenen Hypo Alpe Adria Bankkonzerns. Soweit erkennbar erstmalig hat sich die Europäische Rechtsprechung dabei – wenn auch nur ganz am Rande – mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine Beihilfengenehmigung der Kommission gegen das Bail-out-Verbot des AEUV verstößt. Wie erklärt sich das Zusammentreffen zweier so unterschiedlicher Regelungsbereiche?

II.
Auf dem Höhepunkt der Bankenkrise 2009 hat Österreich die in Turbulenzen geratene Hypo Alpe Adria notverstaatlicht. In diesem Zuge vereinbarte Österreich mit den Aktionären der Bank den Erwerb sämtlicher Anteile für den symbolischen Kaufpreis von einem Euro. Der Kaufvertrag zwischen Österreich und der BayernLB, die mehr als 67 % der Anteile hielt, sah unter anderem vor, dass die Landesbank ihre bestehenden Kreditlinien zur konzerninternen Finanzierung in Höhe von 2,63 Mrd. Euro zugunsten der Hypo Alpe Adria bis Ende 2013 bestehen lässt um deren Liquidität sicherzustellen. Im Gegenzug erhielt die BayernLB von Österreich eine Garantie über die Rückzahlung der Finanzierung in gleicher Höhe. Die Kommission hatte die Finanzierungsgarantie als Beihilfe Österreichs zugunsten der BayernLB angesehen, diese aber auf der Grundlage ihrer Umstrukturierungsmitteilung im Finanzsektor genehmigt. Österreich hat hiergegen – vor allem mit Blick auf eine drohende Inanspruchnahme aus der Garantie durch die BayernLB – Nichtigkeitsklage erhoben. Österreich trug im Wesentlichen vor, es habe niemals die Absicht gehabt der BayernLB eine Beihilfe zu gewähren. Insbesondere habe die Kommission zu Unrecht das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe feststellt. Für den Fall, dass es sich tatsächlich um eine staatliche Beihilfe handeln sollte, müsse sie für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt werden. Das Gericht ist dieser Argumentation nicht gefolgt und hat die Klage abgewiesen.

Unter anderem argumentierte Österreich, dass wenn man der Auffassung der Kommission folgend eine Begünstigung der BayernLB annehme, auch ein Verstoß gegen das Bail-out-Verbot nach Art. 125 AEUV vorliegt. Nach Abs. 1 S. 2 dieser Regelung haftet ein Mitgliedstaat nicht für die Verbindlichkeiten (…) öffentlicher Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats und tritt nicht für derartige Verbindlichkeiten ein. Der Begriff der öffentlichen Unternehmen bezeichnet dabei Unternehmen, auf die der Staat oder andere Gebietskörperschaften aufgrund von Eigentumsrechten beherrschenden Einfluss ausüben können. Die BayernLB, so der Vortrag Österreichs, stehe zu 94 % im Eigentum des Freistaats Bayern, so dass die als Beihilfe eingestufte Maßnahme diesem und in letzter Konsequenz der Bundesrepublik Deutschland zugutekomme. Gleichzeitig, so sind die Ausführungen Österreichs zu verstehen, sei die Maßnahme vom Anwendungsbereich der Art. 107 AEUV und 108 AEUV ausgenommen, da diese nicht die Beihilfen eines Mitgliedstaats für einen anderen regeln. Mangels anderer Rechtsgrundlagen liege in der Begünstigung der Landesbank daher ein Verstoß gegen das Bail-out-Verbot. Das Gericht hat diese Argumentation mit dem Hinweis verworfen, dass die Republik Österreich nicht dargelegt habe, inwiefern die Finanzierungsgarantie zu einer Beeinträchtigung des Anreizes für den Empfängermitgliedstaat, eine solide Haushaltspolitik zu betreiben, führen würden. D. h., selbst wenn das Bail-out-Verbot vorliegend anwendbar wäre, so die Begründung des Gerichts, wären seine Voraussetzungen jedenfalls nicht erfüllt. Die Argumentation des Gerichts ist einleuchtend. Nicht näher beschäftigt hat sich das Gericht dabei mit der durchaus interessanten Frage, wie es überhaupt zu dem Zusammentreffen dieser beiden Rechtsinstitute kommen kann.

III.
Hierzu ist festzustellen, dass das zugrundeliegende Begünstigungsverhältnis beihilfenrechtlich in zweierlei Hinsicht Besonderheiten aufweist, aus deren Aufeinandertreffen sich die Überschneidung mit den Regelungen zum mitgliedstaatlichen Haftungsausschluss erst ergibt.

Das erste Merkmal der vorliegenden Fallkonstellation liegt in dem Umstand, dass das begünstigte Unternehmen im Eigentum des Landes Bayern steht, es sich mithin bei der BayernLB um ein öffentliches Unternehmen handelt. Dies führt dazu, dass die Landesbank einerseits Empfänger einer Beihilfe Österreichs sein kann. Andererseits führt dies dazu, dass sich Deutschland die Begünstigung unter Umständen nach Art. 125 AEUV zurechnen lassen muss.

Das zweite besondere Merkmal des vorliegenden Begünstigungsverhältnisses besteht darin, dass die Beihilfe einem Unternehmen eines anderen Mitgliedstaates gewährt wird. In der Praxis der Mitgliedstaaten dürfte dieser Fall die extreme Ausnahme darstellen. Mit der Einführung einer Beihilfenkontrolle sollte insbesondere verhindert werden, dass Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Wettbewerbsregeln durch staatliche Maßnahmen umgehen, indem sie sich gegenüber anderen Mitgliedstaaten durch eine Förderung der heimischen Industrie Vorteile verschaffen. Der Aufbau nationaler Champions ist paradigmatisch für diese Interessenlage. Die Förderung nicht-heimischer Unternehmen liegt regelmäßig nicht im Interesse von Mitgliedstaaten. Bezeichnenderweise macht Österreich geltend, dass es nie die Absicht hatte, der BayernLB einen Vorteil zu gewähren, dass der Zweck der Garantie vielmehr in der Unterstützung des heimischen Kreditinstituts lag.

Auch diese Fälle sind ohne weiteres vom Beihilfenverbot erfasst. Das Verbot bezweckt den Schutz vor Wettbewerbsverzerrungen durch die Mitgliedstaaten. Solche können auch durch die Subventionierung nicht heimischer Unternehmen erfolgen.  In der Rechtssache T 511/09, Niki Luftfahrt GmbH/Kommission etwa stand die Frage zur Diskussion, ob Österreich beim Verkauf der Austrian Airlines an die Lufthansa durch die Subventionierung des Kaufpreises nicht der AuA sondern in Wirklichkeit der (deutschen) Lufthansa einen Vorteil gewährt hat. Dies hat das Gericht nach einer Prüfung der Tatbestandsmerkmale der Beihilfe verneint, und zwar ohne die Anwendbarkeit des Beihilfenverbots auf diesen Fall in Frage zu stellen.

IV.
Nur in den so charakterisierten Sondersituationen dürfte sich die Frage nach dem Verhältnis von Beihilfenrecht und Bail-out-Verbot stellen. Diese kurze Betrachtung zeigt den Einwand der Verletzung des Bail-out-Verbotes im Beihilfeverfahren als das was er ist, nämlich eine originelle, nicht ohne weiteres von der Hand zu weisende, rechtliche Argumentation, die in der Praxis indes nur in sehr atypisch gelagerten Fällen zum Tragen kommen dürfte.

*Diesen Beitrag schrieb Dr. Jan Wolters während seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt bei MWP.

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