Zins oder Zinseszins – das ist hier die Frage!

Das Vorabentscheidungsverfahren Rs. C-89/14 behandelt die Auslegung von Art. 14 VO 459/99 sowie der Art. 9, 11 und 13 der VO 794/2004. Der Gerichtshof hatte dabei die Frage zu klären, ob Italien eine rechtswidrige Beihilfe aufgrund einer nationalen Vorschrift mit Zinseszinsen zurückfordern darf, auch wenn die Entscheidung der Kommission, auf deren Grundlage die Rückforderung zu erfolgen hat, noch vor Inkrafttreten der VO 794/2004 ergangen ist.

Wie es zur Vorlagefrage kam:

A2A SpA – eine Gesellschaft mit staatlicher Beteiligung – ist in Italien im Bereich der Daseinsvorsorge tätig. Mit ihrer Entscheidung 2003/193/EG vom 5. Juni 2002 stellte die Kommission fest, dass die A2A SpA aufgrund von Steuerbefreiungen eine rechtswidrige Beihilfen erhalten hatte und forderte in ihrer Entscheidung Italien auf, diese von dem Unternehmen unverzüglich zurückzufordern.

In seinem Urteil in der Rs. C-207/05, EU:C:2006:366 stellte der Gerichtshof jedoch fest, dass diese Entscheidung nicht fristgemäß umgesetzt worden war.

Zur Durchführung dieses Urteils erließ Italien eine Reihe von nationalen Rechtsvorschriften auf deren Grundlage Steuerbescheide für die Einziehung der Körperschaftssteuer erlassen wurden. A2A SpA wurde aufgefordert, neben der Hauptforderung iHv. 170 Mio. € Zinsen iHv. 120 Mio. € zu zahlen. Die Zinsen errechneten sich dabei auf Grundlage der Zinseszinsformel.

A2A SpA focht daraufhin die Steuerbescheide vor dem Kassationsgerichtshof an und trug im Hinblick auf die Berechnung der Zinsen vor, dass die entsprechende italienische Norm, auf deren Grundlage die Zinseszinsberechnung erfolgte, gegen Unionsrecht verstoße. Zum einen verweise diese Norm auf Art. 9 und 11 VO 794/2004, welche jedoch auf die Entscheidung 2003/193 noch gar keine Anwendung finden. Erst mit Inkrafttreten der VO 794/2004 am 20. Mai 2004 seien die Rechtswidrigkeitszinsen nach der Zinseszinsformel zu berechnen. Zum anderen ergebe sich weder aus der Spruchpraxis der Gerichte noch unmittelbar aus dem Unionsrecht, dass eine rechtswidrige Beihilfe mit Zinseszinsen zurückzufordern sei.

Das Gericht setzte daraufhin das Verfahren aus und fragte den Gerichtshof zur Vorabentscheidung, ob das Unionsrecht einer solchen nationalen Bestimmung zur Zinseszinsberechnung entgegenstehe oder ob die Anwendung von Zinseszinsen auf die Rückforderung einer staatlichen Beihilfe gestattet sei, auch wenn zum Zeitpunkt der Rückforderungsentscheidung die VO 794/2004 noch nicht in Kraftgetreten war.

Urteil des EuGH:

Der Gerichtshof kommt wenig überraschend zu dem Schluss, dass das Unionsrecht (insbesondere Art. 14 VO 659/99 und Art. 11 und 13 VO 794/2004) einer nationalen Regelung zur Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe mit Zinseszinsen nicht entgegensteht.

Eigene Ausführungen zur Berechnung der Rechtswidrigkeitszinsen enthält die Kommissionsentscheidung 2003/193 nicht und da diese auch vor Inkrafttreten der VO 794/2004 erlassen wurde, sei Art. 11 Abs. 2 dieser Verordnung aus zeitlichen Gründen nicht auf diese Rückforderung anwendbar.

Daher ging der Gerichtshof der Frage nach, auf welcher Rechtsgrundlage vor Inkrafttreten der VO 794/2004 die Rechtswidrigkeitszinsen zu bestimmen waren. Aus der Rückforderungsentscheidung 2003/193 ergibt sich Rückforderung der Beihilfen unverzüglich und auf Grundlage der nationalen Vorschriften zu erfolgen. Unter Verweis auf das Urteil Rs. C-295/07, EU:C:2008:707 führt der Gerichtshof daher aus, dass damit auch nach dem nationalen Recht zu bestimmen sei, ob sich der Zins nach der Zins- oder Zinseszinsformel berechne. Eine nationale Regelung, die die Berechnung nach der Zinseszinsmethode bereits vor Inkrafttreten des Art. 11 Abs. 2 VO 794/2004 beinhalte, stehe dabei auch nicht im Widerspruch zum Unionsrecht. Zwar bestimmt Art. 13 Abs. 1 VO 794/2004 den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung und legt in Abs. 5 fest, dass Art. 11 Abs. 2 als Grundlage für die Berechnung der Zinsen nach der Zinseszinsformel nur auf Rückforderungen rechtswidriger Beihilfen Anwendung finde, die nach Inkrafttreten der Verordnung bekanntgegeben wurden. Dennoch – so der Gerichtshof – sei daraus für nationale Vorschriften kein (Rückwirkungs-)verbot für die Berechnung nach der Zinseszinsformel bereits vor Erlass der VO 794/2004 abzuleiten.

Auch einen Verstoß gegen die allgemeinen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes aufgrund einer rückwirkenden Anwendung der Verordnung lehnt der Gerichtshof ab. Die Berechnung des Zinssatzes auf Grundlage der Zinseszinsformel sei auf Grundlage einer nationalen Vorschrift eingeführt worden, diese entfalte jedoch keine Rückwirkung, sondern „beschränke sich darauf eine neue Regelung auf die künftigen Auswirkungen von unter Geltung der früheren Regelungen entstandenen Sachverhalten anzuwenden“.

Der Gerichtshof sieht damit keinen Verstoß der italienischen Zinseszinsformel gegen das Unionsrecht und scheint diese Art der Zinsberechnung im konkreten Fall sogar zu begrüßen, da diese Berechnungsgrundlage ein besonders wirksames Mittel darstelle, den aufgrund des großen Zeitraums zwischen der am 5. Juni 2002 ergangenen Rückforderungsentscheidung und den erst im Laufe des Jahres 2009 erlassenen Rückforderungsbescheiden entstandenen Wettbewerbsvorteil nach all der Zeit wirksam zu beseitigen.

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