Urteil im Vorabentscheidungsverfahren „BVVG“ (Rs. C-39/14) – EuGH entwickelt Rechtsprechung zur Beihilfequalität öffentlicher Grundstücksverkäufe weiter

Auf eine Vorlage des BGH hat der EuGH am 16.07.2015 entschieden, dass eine Vorschrift wie § 9 Abs. 1 Nr. 3 Grundstücksverkehrsgesetz (GrdstVG) nicht als staatliche Beihilfe zu qualifizieren ist, sofern ihre Anwendung zu einem Grundstücksverkaufspreis führt, der möglichst nahe beim Marktwert des betroffenen Grundstücks liegt.

Nach dem Grundstücksverkehrsgesetz bedarf die Veräußerung von landwirtschaftlichen Grundstücken durch die öffentliche Hand grundsätzlich der Genehmigung. Zum Schutz der Interessen der landwirtschaftlichen Betriebe kann diese Genehmigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG versagt werden, wenn der für das Grundstück gebotene Preis in einem groben Missverhältnis zu dem geschätzten Wert des Grundstücks steht.

Im Ausgangsverfahren hat der BGH darüber zu entscheiden, ob sich der Landkreis Jerichower Land zu Recht geweigert hat, den von der BVVG beabsichtigten Verkauf eines landwirtschaftlichen Grundstücks an die Höchstbietenden einer öffentlichen Ausschreibung zu genehmigen. Der Landkreis berief sich darauf, dass der angebotene Preis den landwirtschaftlichen Verkehrswert des Grundstücks um mehr als 50% übersteige und daher ein grobes Missverhältnis i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG vorliege. Der BGH fragte sich, ob die Versagung des Verkaufs zu dem in einer öffentlichen Ausschreibung ermittelten Preis gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV verstößt – auch wenn zum Zeitpunkt der Versagung noch nicht feststehe, an wen das Grundstück dann letztlich verkauft werde. Zudem hatte er Zweifel, ob der Verkauf eines öffentlichen Grundstücks zu einem Preis, der unter dem durch eine Ausschreibung ermittelten Preis liegt, zu einer – ggf. durch den Zweck des Grundstücksverkehrsgesetzes gerechtfertigten – Begünstigung des Käufers führt. Der BGH legte dem EuGH daher die Frage vor, ob Art. 107 Abs. 1 AEUV einer Vorschrift wie § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG entgegenstehe.

Der EuGH stellte nun fest, dass es nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist, dass eine Regelung wie § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG unter den Beihilfenbegriff des Art. 107 Abs. 1 AEUV fällt. Die Gründe oder Zielsetzungen der Regelung spielten für die Anwendung des Art. 107 Abs. 1 AEUV ebenso wenig eine Rolle, wie die Tatsache, dass bei der Genehmigungsversagung noch nicht entschieden sei, an wen das fragliche Grundstück verkauft werde. Entscheidend sei, ob die Anwendung der Regelung zu einem Grundstücksverkauf unterhalb des Marktwertes führe. Da beim Verkauf im Wege eines Ausschreibungsverfahrens grundsätzlich vermutet werden könne, dass der Marktpreis dem höchsten Angebot entspricht, könnte die Ablehnung des höchsten Angebots zu einem solchen Ergebnis führen. Zudem könne die Regelung insofern als Beihilfe zu qualifizieren sein, als sie einem Dritten, der ggf. nicht einmal an der Ausschreibung teilgenommen hat, den Erwerb zu einem niedrigeren als den in der Ausschreibung gebotenen Preis ermöglicht.

In Weiterentwicklung seiner „Bank Burgenland“- Rechtsprechung (Rs. C-214/12 P u.a., Rn. 94) stellt der EuGH dann allerdings fest, dass die Methode des Verkaufs an den Meistbietenden einer Ausschreibung unter „besonderen Umständen“ nicht geeignet ist, zu einem dem Marktwert entsprechenden Preis zu führen, so dass es gerechtfertigt sein kann „auch andere Faktoren als den Preis“ zu berücksichtigen. Dies könne u.a. dann der Fall sein, wenn das Höchstgebot aufgrund seines spekulativen Charakters „deutlich über den sonstigen im Rahmen einer Ausschreibung abgegebenen Preisangeboten und dem geschätzten Verkehrswert des Objekts liege“. Somit sei eine nationale Regelung, nach der unter solchen Umständen der Verkauf an den Meistbietenden untersagt werde, nicht als staatliche Beihilfe anzusehen, sofern gewährleistet wird, dass ihre Anwendung zu einem Verkaufspreis führen kann, der möglichst nahe beim Marktwert des maßgeblichen Grundstücks liege.

Es ist nun Sache des BGH zu beurteilen, ob die konkrete Anwendung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG den vom EuGH aufgestellten Grundsätzen entspricht. Dabei wird der BGH – worauf der EuGH ausdrücklich hinweist – zum einen die Modalitäten des konkreten Ausschreibungsverfahrens zu untersuchen haben und zum anderen prüfen müssen, ob die Methode der Bewertung der landwirtschaftlichen Flächen i.S.d. „Seydaland“-Rechtsprechung (Rs. C-239/09) mit einem Aktualisierungsmechanismus verbunden ist, so dass der Entwicklung des Marktpreises Rechnung getragen wird.

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