Staatshilfen für den Luftverkehrssektor – Aber wie?

Die Kommission hat in der vergangenen Woche ein Arbeitspapier mit einem Überblick über die beihilferechtlichen Finanzierungsmöglichkeiten des Luftverkehrssektors veröffentlicht. Viele Fragen bleiben jedoch auch weiterhin offen. Insbesondere die Frage, wie Flughäfen in der Corona-Krise wirklich geholfen werden kann.

Zum Luftverkehrssektor gehören sowohl Fluggesellschaften als auch Flughäfen. Die Mitteilung der Kommission zur vorübergehenden Beschränkung von nicht unbedingt notwendigen Reisen in der EU vom 16.03.2020 und die Eindämmungsmaßnahmen der Länder zur Verhinderung der Ausbreitung von Corona haben in den letzten Wochen die normale Reisetätigkeit nahezu weltweit zum Erliegen gebracht. Die Folgen für diese Branche sind bisher nicht absehbar: Für das erste Halbjahr 2020 wird weltweit ein Rückgang um 528 Millionen Passagiere vorausgesagt.

Der Weltluftfahrverband IATA sagt Verluste für Fluggesellschaften in Höhe von mehr als 250 Milliarden US-Dollar voraus.

Auch wenn das normale Leben langsam wieder beginnt und auch über Grenzöffnungen und Wiederaufnahme des Flugverkehrs spekuliert wird, wird die Normalität im Luftverkehr noch eine Weile auf sich warten lassen. In der Branche wird derzeit bereits über neue Konzepte nachgedacht, wie das Leben nach und mit Corona weitergehen kann: Dazu gehört die Reduzierung der Passagierzahlen, um die Einhaltung von Abstandsmaßnahmen in Flugzeugen einzuhalten. Dafür werden vermutlich Sitze im Flugzeug leer bleiben müssen. Damit wird die Passagierzahl voraussichtlich um ein Drittel sinken. Die Rückkehr zu gewohnten Passagierzahlen ist bisher nicht absehbar.

Auch Flughäfen haben unter der reduzierten Flugtätigkeit zu leiden. Der Ausfall der Flüge führt zu geringeren Einnahmen aus Flughafenentgelten. Auch wenn einige der Geschäfte an Flughäfen zur allgemeinen Versorgung noch geöffnet bleiben durften, haben sich die Mieteinnahmen aus dem Non-Aviation-Bereich erheblich reduziert, da die Höhe der gewerblichen Mieten idR. an die Einnahmen der Läden und Restaurants geknüpft ist. Die Einnahmenausfälle von Flughäfen liegen daher zwischen 80% und 95%.

Einige Flughäfen haben ihre Betriebstätigkeit daher ganz eingestellt. Am Flughafen Rostock-Laage findet z.B. seit dem 19.03.2020 kein regulärer Flugbetrieb mehr statt. Der Flughafen dient derzeit als Parkplatz für Airbus-Maschinen aus dem Werk in Hamburg, die aufgrund der Corona-Krise derzeit nicht ausgeliefert werden können.

Um Urlaubern im Ausland die Heimreise zu ermöglichen, hat Berlin vom 15.03.2020 bis zum 22.03.2020 zunächst für den Flughafen Tegel das Nachtflugverbot bei internationalen Flügen aufgehoben. Damit wurde gewährleistet, dass Heimkehrende in verspäteten Maschinen direkt in der Hauptstadt ohne weitere Zwischenstopps und damit ohne erhöhte Ansteckungsgefahren landen konnten. Nun steht die Schließung des Flughafens zum 1. Juni 2020 aus Kostengründen bevor und die Berliner werden sich von dem Traditionsflughafen wohl damit verabschieden müssen, denn im Oktober wird der BER eröffnet.

Der gesamte Luftverkehrssektor ist eine Branche, die vor Corona aufgrund der CO2-Emissionen in den Mittelpunkt der Kritik geraten war. Begriffe wie „Flight-shaming“ haben uns auf unseren ökologischen Fußabdruck hingewiesen. Dennoch ist dies eine Branche, die für unsere Mobilität und nicht zuletzt auch in der Corona-Krise für den Rücktransport von deutschen Touristen aus dem Ausland, Krankenflüge, Einflug von Erntehelfern und auch für den Transport von Post, Päckchen und anderen Frachtgüter sorgt und die – wie auch viele andere Sektoren – nun auf staatliche Hilfe angewiesen ist.

Die Kommission hat in den vergangenen Wochen Corona-bedingte Entscheidungen zugunsten von Fluggesellschaften getroffen (Air France, Staatliche Beihilfe SA.57082, Condor, Staatliche Beihilfe SA.56867, SAS, Staatliche Beihilfe SA.56795). Als Rechtsgrundlagen für die Genehmigungen hat sie bei Air France auf Art. 107 Abs. 3 lit b AEUV zurückgegriffen und die Entscheidung mit einigen Umweltauflagen verbunden. In den beiden anderen Verfahren hat sie die Beihilfen auf Grundlage von Art. 107 Abs. 2 lit b AEUV genehmigt. Es dürfte aber noch eine Reihe von weiteren Fällen bei der Kommission in der Pipeline sein. Pressemeldungen ist zu entnehmen, dass z.B. die Lufthansa-Tochter Austrian Airlines eine staatliche Unterstützung iHv. 770 Mio. Euro beantragt hat. Bei Brussels Airlines – ebenfalls Lufthansa-Tochter – sind es 290 Mio. Euro, die der belgische Staat gewähren soll und nicht zuletzt die Lufthansa ringt nach wie vor mit der deutschen Politik um ein Paket iHv. 9 Milliarden Euro. Diese Maßnahmen wird die Kommission alle beihilferechtlich prüfen müssen.

Daher hat die Kommission ein Arbeitspapier veröffentlicht, in dem sie alle derzeit möglichen beihilferechtskompatiblen Finanzierungsmöglichkeiten für diesen Sektor zusammenfasst. Hinweise auf De-minimis-Beihilfen, die AGVO und den DawI-Freistellungsbeschluss werden in der Praxis wohl wenig weiterhelfen. Zum einen stellt sich die Frage, ob sowohl Flughäfen als auch Luftverkehrsgesellschaften aktuell Unternehmen in Schwierigkeiten sind und daher gem. Art. 1 Nr. 4 c AGVO nicht mehr in den Anwendungsbereich der AGVO fallen. Der DawI-Freistellungsbeschluss findet nur bei Flughäfen bis zu 200.000 Pax/p.a. und für Regionen in äußerster Randlage Anwendung. Die Anwendungsfälle dieser Regelung dürften auch aufgrund der Höhe der Schwellenwerte bei dem aktuellen Finanzbedarf der Branche begrenzt sein.

Die in Deutschland bislang auf Grundlage des Vorübergehenden Beihilferahmens eingerichteten Programme der KfW helfen den meisten Flughäfen nicht weiter. Diese haben überwiegend staatliche Gesellschafter und die Programme kommen nur für Privatunternehmen in Betracht. Bislang eine Ausnahme ist dabei das Programm der NRW.Bank, dessen Anwendung auch für öffentliche Infrastrukturen wie z.B. Flughäfen geöffnet wurde. Möglich sind dabei Haftungsentlastungen in Höhe von 80% für die jeweilige Hausbank bei der Gewährung  von Investitions- und Betriebsmittelkrediten. Dennoch bleibt auch hier wieder die Frage, inwieweit Hausbanken bereit sind, entsprechende Risiken in einer Branche einzugehen, deren Zukunftsaussichten insgesamt sehr ungewiss sind.

Als weitere Unterstützungsmaßnahme schlägt die Kommission in ihrem Papier die Möglichkeit eines beihilfefreien Schadensersatzanspruchs vor. Dieser könne z.B. in einer Situation greifen, in der ein Flughafen während des COVID-19-Ausbruchs geöffnet bleiben muss, um bestimmte Flüge aufzunehmen, und der Mitgliedstaat den Flughafenbetreiber für die variablen Kosten im Zusammenhang mit diesen öffentlichen Aufgaben entschädigt. Eine Entschädigung darf dabei nur die Differenz zwischen den Kosten, die entstanden sind, weil der Flughafen geöffnet war im Verhältnis zu den Kosten, die entstanden wären, wenn der Flughafen geschlossen worden wäre, umfassen. Der wesentlich erheblichere Einnahmenausfall kann damit jedoch nicht beihilfenfrei entschädigt werden.

Als weitere Alternative verweist die Kommission auch auf staatliche Rekapitalisierungsmaßnahmen auf Grundlage des Vorübergehenden Beihilferahmens. Wie schwierig die Durchführung staatlicher Rekapitalisierungsmaßnahmen jedoch in der Praxis ist, können wir seit Wochen am Beispiel der Lufthansa beobachten. Insbesondere die Frage der Rekapitalisierung von staatlichen Gesellschaften ist dabei noch nicht gelöst.

Im Hinblick auf die Flughafenleitlinie hatte die Kommission bereits beschlossen, die Höchstgrenze für Regionalflughäfen nicht zu überarbeiten. Damit besteht bis 2024 für Flughäfen mit 700.000 Pax/p.a. weiterhin die Möglichkeit, bis zu 80% ihrer durchschnittlichen Finanzierungslücke aus dem Evaluierungszeitraum 2009-2013 aus staatlichen Geldern zu finanzieren. Danach muss die Betriebsbeihilfe allerdings auf null absinken. Inwieweit die Kommission in diesem Zusammenhang auch einen „Corona-Bonus“ genehmigt, bleibt abzuwarten (die Entscheidung des Flughafens Saarbrücken Staatliche Beihilfe SA.55320, die noch auf Grundlage einer Notifizierung aus 2019 erfolgte, ist bislang noch nicht veröffentlicht).

Ansonsten schlägt die Kommission eine beihilfenfreie Finanzierung auf Grundlage der „Altmark-Kriterien“ vor. Auch eine Notifizierung unter dem DawI-Rahmen erscheint der Kommission möglich. Als DawI könnten nach Ansicht der Kommission Flugdienste zählen, die zwar nicht in den öffentlichen Zuständigkeitsbereich fallen, aber dennoch als wesentlich für die Erfüllung eines bestimmten öffentlichen Bedarfs angesehen werden. Auch der Betrieb eines Flughafens könnte damit zumindest teilweise eine DawI sein. Bei der Anwendung der Altmark-Kriterien drängen sich mir jedoch unmittelbar zwei Fragen auf: Wie können die bereits seit Februar angefallenen Verluste rückwirkend ohne nachträgliche Betrauung durch eine DawI ausgeglichen werden und wie soll konkret das vierte Altmark-Kriterium erfüllt werden?

Als weitere Rechtfertigungsalternative verweist die Kommission auf Art. 107 Abs. 2 lit b AEUV. Die Anwendung dieser Norm war insbesondere im Luftverkehrssektor in der Vergangenheit schon sehr hilfreich. Bereits nach den Attentaten vom 11. September 2001 war diese Branche in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten geraten, weil der amerikanische Luftraum aus Sicherheitsgründen für einige Tage gesperrt wurde. Für den Ausgleich der den Fluggesellschaften durch dieses Grounding entstandenen Schäden haben einige Mitgliedstaaten – auf Grundlage der Mitteilung der Kommission zu den Folgen der Attentate in den Vereinigten Staaten – für die Luftverkehrsbranche Beihilferegelungen für die Kompensation der unmittelbaren Schäden aufgrund der Schließung der Lufträume für den Zeitraum vom 11.-14. September 2001 angemeldet. Rechtfertigungsgrundlage war in diesen Fällen – wie auch im Übrigen für den Ausgleich der Schäden für den Luftverkehr aufgrund des Ausbruchs des isländischen Vulkans „Eyjafjallajokull“ im April 2010 – Art. 107 Abs. 2 lit b AEUV. Die Anwendung dieser Ausnahmeregelung hat die Kommission für die Corona-Krise ausdrücklich bejaht. Wäre es damit nicht Zeit für eine vergleichbare Regelung für Fluggesellschaften und Flughäfen in der Corona-Krise?

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