Mit ihrer Empfehlung vom 13.05.2020 formuliert die Kommission Vorschläge, wie Gutscheine für Reisen, die aufgrund des COVID-19-Ausbruchs ausgefallen sind, zukünftig für Reisende insolvenzfest und attraktiver ausgestaltet werden könnten. Ein Versuch, der schwer getroffenen Reisebranche Liquidität zu verschaffen.
Damit ist die Bundesregierung endlich in der Lage, den Beschluss des „Corona-Kabinetts“ vom 02.04.2020 umzusetzen, in dem bereits Grundsätze für die Akzeptanz von Reisegutscheinen beschlossen wurden. Inhalt dieses Beschlusses war es, die Gutscheine im Insolvenzfallfall ggf. mit Hilfe einer staatlichen Rückversicherung abzusichern, in einer Härtefallklausel Fälle auszuklammern, in denen für den Buchenden der Gutschein unzumutbar ist und die Gültigkeit des Gutscheins bis zum 31.12.2021 zu befristen. Sollte der Gutscheint bis dahin nicht eingelöst worden sein, müsse der Wert erstattet werden. Trotz Kritik aus Verbraucherschutzkreisen, dass es sich bei der Gutscheinlösung um Konsumentenkredite für Airlines handele und Verbraucherrechte in Corona-Zeiten nicht beschnitten werden sollten, hat die Kommission nun den Vorschlag der Bundesregierung aufgegriffen und diesbezüglich eine Empfehlung veröffentlicht.
Hintergrund
Im Falle einer Stornierung durch die Fluggesellschaft haben die Passagiere nach der Fahrgastverordnung die Wahl zwischen Rückerstattung und einer anderweitigen Beförderung. Da anderweitige Transportmöglichkeiten unter den gegenwärtigen Umständen kaum möglich sind, besteht die Wahl de-facto zwischen den verschiedenen Erstattungsmöglichkeiten. Vorrangig ist bei allen Transportwegen die tatsächliche Rückerstattung des Transportentgeltes. Nur mit Zustimmung des Reisenden ist eine Rückerstattung durch einen Gutschein möglich. Dies gilt auch bei der Annullierung von Pauschalreisen aus „unvermeidbaren und außergewöhnliche Umständen“. Diesen Grundsatz hat die Kommission in ihren Auslegungsleitlinien zur Fluggastverordnung vom 18. März 2020 sowie in den am 19. März 2020 veröffentlichten informellen Leitlinien im Zusammenhang mit der COVID-Pandemie bestätigt, grundsätzlich aber darauf hingewiesen, dass Reisende auch einen Gutschein akzeptieren können.
Aufgrund der aktuell angespannten Lage der Reisebranche besteht allerdings die Gefahr, dass im Fall der Insolvenz von Veranstaltern oder Fluggesellschaften, viele Reisende und Fluggäste überhaupt keine Erstattung erhalten, da ihre Ansprüche gegen Veranstalter und Fluggesellschaften bislang nicht geschützt sind. Verschärft wird die Situation auch noch dadurch, dass Reisende, die eine Pauschalreise gebucht haben, im Fall der Insolvenz des Veranstalters ihre Reisekosten von der Versicherung des Reiseveranstalters ersetzt bekommen. Dies gilt nicht für Individualreisende, die ihren Flug direkt bei der Airline und ihre Übernachtung beim Hotel gebucht haben. Dies führt zu einem Ungleichgewicht in der Branche.
Empfehlung der Kommission
Ergebnis ist nun die Empfehlung der Kommission, in der diese darauf abzielt, Gutscheine als Alternative zur unmittelbaren Erstattung attraktiver und durch staatliche Garantien insolvenzfest auszugestalten, um die Liquidität der angespannten Branche zu schonen.
Mit ihrer Empfehlung vom 15.05.2020 unterbreitet die Kommission den Mitgliedstaaten konkrete Vorschläge für die Ausgestaltung dieser Gutscheine. U.a. sollten Gutscheine eine Mindestgültigkeitsdauer von 12 Monaten haben. Haben Gutscheine eine Gültigkeitsdauer von mehr als 12 Monaten, sollten Fluggäste und Reisende das Recht haben, spätestens 12 Monate nach Ausstellung des betreffenden Gutscheins eine Erstattung in Form von Geld zu verlangen. Weiter sollten Fluggäste und Reisende Gutscheine für Zahlungen für alle neu getätigten Buchungen verwenden können, die vor ihrem Ablaufdatum getätigt wurden, auch wenn die Zahlung oder die Dienstleistung nach diesem Datum erfolgt. Um Gutscheine attraktiver zu machen, könnten Veranstalter und Beförderer im Übrigen auch erwägen, Gutscheine mit einem Guthabenwert über die bisher geleistete Zahlung hinaus auszustellen.
Die Kommission schlägt den Mitgliedstaaten vor, spezielle Garantiesysteme für Gutscheine einzurichten, die sich unmittelbar auf Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b des Vertrags stützen, da der Vorübergehende Beihilferahmen derartige Maßnahmen nicht abdeckt. Bei ihrer Prüfung würde die Kommission akzeptieren, dass die staatliche Garantie 100% des Gutscheinwerts abdeckt, um einen umfassenden Schutz aller Passagiere und Reisenden zu gewährleisten, und gleichzeitig andere einschlägige Bestimmungen des Abschnitts 3.2 des Vorübergehenden Beihilferahmens berücksichtigen, um die Verhältnismäßigkeit der Beihilfe zu gewährleisten.
Darüber hinaus könnten die Mitgliedstaaten Reiseveranstaltern De-minimis-Beihilfen gewähren. Zusätzlicher Liquiditätsbedarf könnte darüber hinaus auch auf Grundlage des Vorübergehenden Beihilferahmens zur Verfügung gestellt werden. Die Gewährung von Einzelzuschüssen iHv. 500.000,- € bis 800.000,- € erscheint da sehr hilfreich.
Die Kommission führt aus, dass soweit die Erstattung nach Abschluss des Liquidationsverfahrens eines Beförderers oder einer Reiseveranstaltung erfolgt und dem Reise- oder Verkehrsunternehmen – das in diesem Fall keine wirtschaftliche Tätigkeit mehr ausübt – dadurch also keine Liquiditätsverbesserung gewährt wird, sondern nur den Passagieren oder Reisenden ein Vorteil entsteht, eine solche Erstattung keine staatliche Beihilfe darstellt. Derartige Maßnahmen können daher von den Mitgliedstaaten ohne vorherige Genehmigung durch die Kommission durchgeführt werden.
Die Kommission empfiehlt den Mitgliedstaaten, Finanzintermediäre dazu zu ermutigen, die COVID-19-Unterstützung im Rahmen der COSME-Kreditbürgschaftsfazilität, die vom Europäischen Investitionsfonds und der Europäischen Kommission eingerichtet wurde, und anderer ähnlicher Regelungen, die von der Europäischen Investitionsbank-Gruppe aufgelegt wurden, für KMU in Anspruch zu nehmen. Im Rahmen dieser Regelungen können spezielle Liquiditäts- und Betriebskapitallinien für KMU/Midcap-Unternehmen in Anspruch genommen werden, um den Liquiditätsbedarf von Unternehmen infolge der COVID-19-Pandemie zu decken.
Die Kommission empfiehlt den Mitgliedstaaten außerdem vor dem Hintergrund der zusätzlichen Flexibilität, die im Rahmen der EU-Kohäsionspolitik durch die Investitionsinitiative zur Bewältigung der Coronavirus-Krise gewährt wird, die Inanspruchnahme der für das Betriebskapital von KMU in der Reise- und der Verkehrsbranche bestimmten Hilfen in Erwägung zu ziehen. In diesem Zusammenhang kann Betriebskapital für KMU gewährt werden, um den Liquiditätsbedarf von Unternehmen infolge der COVID-19-Pandemie, einschließlich der Kosten im Zusammenhang mit Annullierungen, zu decken.
Diesen Beitrag verfasste Rechtsanwältin Gabriele Quardt in ihrer Zeit bei Müller-Wrede & Partner