Ein hoher Preis für staatliches Kapital

Auf Grundlage des Vorübergehenden Beihilferahmens hat die Kommission bislang staatliche Beihilfen in Höhe von rund 1,9 Billionen € genehmigt. Dabei ging es bislang um die Gewährung von Zuschüssen bis zu 800.000,- €, zinsverbilligte Kredite, Bürgschaften sowie Maßnahmen für Forschung und Entwicklung und für die Versorgung mit Produkten zur Bekämpfung des Ausbruchs des Coronavirus`.

Nun hat die Kommission – nach zähem Ringen mit den Mitgliedstaaten – den Vorübergehenden Rahmen um Eigenkapitalinstrumente sowie die Bereitstellung von Hybridkapital erweitert. Gleichzeitig sollen diese mit Maßnahmen zur Beschleunigung der grünen und digitalen Transformation kombiniert werden. Was darunter zu verstehen ist, zeigt bereits die Genehmigung der Beihilfen zugunsten der französischen Luftverkehrsgesellschaft Air France (SA.57082). Diese Maßnahme mit einem Gesamtbudget von 7 Milliarden Euro wird in Form einer staatlichen Bürgschaft und einem nachrangigen Aktionärsdarlehen des französischen Staates an das Unternehmen erfolgen. Verbunden ist die Genehmigung dieser Beihilfe mit der Verpflichtung der CO2-Reduzierung auf Lang- und Mittelstreckenflügen bis 2030 auf 50% pro Passagier und Kilometer. Darüber hinaus müssen bis 2025 mindestens 2% des Treibstoffs aus klimaneutralen Quellen stammen und die Erneuerung der Flugzeugflotte hat mit Schwerpunkt auf CO2-Emissionen zu erfolgen. Diese Vorgaben zeigen, dass die Kommission auch in der Corona-Krise die Klimaziele nicht aus den Augen verliert, sondern diese geschickt mit den notwendigen Finanzierungsinstrumenten verbindet.

Vergleichbare Verpflichtungen dürften vermutlich auch die Lufthansa treffen, sollte sich die deutsche Politik tatsächlich auf eine Beteiligung Deutschlands an der Fluggesellschaft einigen. Daneben erwartet die Kommission aber noch härtere Gegenleistungen für die staatliche Unterstützung: keine Dividenden, keine Boni, keine Übernahmen. Vor diesem Hintergrund werden viele Unternehmen diese Form der staatlichen Unterstützung – die sowieso nur als ultima ratio vorgesehen ist – gut überdenken.  

Zur Verfügung stünde dafür in Deutschland bereits der Wirtschaftsstabilisierungfonds (WSF), der jedoch vor seinem Einsatz von der Kommission beihilferechtlich noch genehmigt werden müsste. Unabhängig von einer möglichen Notifizierung des WSF als Beihilfeprogramm müsste die bislang wohl geplante staatliche Unterstützung in Milliardenhöhe für die Lufthansa dennoch bei der Kommission einzeln angemeldet werden, da auch bei der Genehmigung einer Beihilferegelung bei Überschreiten eines Betrags von 250 Mio. € eine Einzelfallnotifizierung erforderlich bleibt.

Rekapitalisierungsbeihilfen

Aufgrund der Sofortmaßnahmen, die seitens der Mitgliedstaaten ergriffen werden mussten, um den Ausbruch des Corona-Virus` zu bewältigen, sind viele Unternehmen nicht mehr in der Lage, Waren zu produzieren oder Dienstleistungen zu erbringen. Die dadurch entstandenen Verluste haben in vielen Fällen zur Reduzierung des Eigenkapitals geführt und damit die Möglichkeit der betroffenen Unternehmen, Kredite auf den Märkten aufzunehmen, verringert. Auf Grundlage der neuen Regelungen können nun Mitgliedstaaten Rekapitalisierungsregelungen oder Einzelbeihilfemaßnahmen notifizieren. Außerdem bleiben Unternehmen, die sich bereits am 31. Dezember 2019 in Schwierigkeiten befanden, weiterhin von Beihilfen auf Grundlage des Vorübergehenden Rahmens ausgeschlossen.

Die Mitgliedstaaten können COVID-19-Rekapitalisierungsmaßnahmen mit zwei unterschiedlichen Rekapitalisierungsinstrumenten bereitstellen: Eigenkapitalinstrumente, insbesondere die Ausgabe neuer Stamm- oder Vorzugsaktien und/oder Instrumente mit einer Eigenkapitalkomponente (sogenannte „Hybridkapitalinstrumente“), insbesondere Genussrechte, Stille Einlagen und konvertierbare besicherte oder unbesicherte Schuldverschreibungen, sowie Nachrangdarlehen.

Um übermäßige Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt zu vermeiden, ist die Gewährung von staatlichen Rekapitalisierungsmaßnahmen an die Einhaltung strenger Voraussetzungen geknüpft. Darüber hinaus steht es den Mitgliedstaaten frei, nationale Maßnahmen im Einklang mit zusätzlichen politischen Zielen zu verbinden, wie etwa die weitere Ermöglichung der grünen und digitalen Transformation ihrer Volkswirtschaften oder die Verhinderung von Betrug, Steuerhinterziehung oder aggressiver Steuervermeidung.

Bedingungen für die Notwendigkeit, Angemessenheit und Umfang der Intervention

Rekapitalisierungsbeihilfen sollten nur gewährt werden, wenn keine andere Alternative greift und das Unternehmen ohne diese Unterstützung seine Tätigkeit einstellen müsste. Weiter muss ein Eingreifen auch im gemeinsamen Interesse liegen, z.B. um soziale Härten und Marktversagen aufgrund erheblicher Arbeitsplatzverluste, den Ausstieg eines innovativen oder systemrelevanten Unternehmens oder das Risiko einer Störung einer wichtigen Dienstleistung zu verhindern. Schließlich muss sich die Beihilfe auf die notwendige finanzielle Unterstützung beschränken und darf nicht über die Wiederherstellung der Kapitalstruktur des Begünstigten vor dem Ausbruch des Corona-Virus´ hinausgehen.

Bedingungen für den Eintritt des Staates in das Kapital von Unternehmen und die Vergütung

Der Staat muss für die Risiken, die er durch die Rekapitalisierungsbeihilfe übernimmt, ausreichend vergütet werden. Dabei wird davon ausgegangen, dass je mehr sich die Vergütung dabei den Marktkonditionen annähert, desto geringer auch die Wettbewerbsverzerrung ist. Darüber hinaus muss der Vergütungsmechanismus Anreize dafür schaffen, die Rekapitalisierung zurückzuzahlen und nach alternativem Kapital zu suchen, wenn die Marktbedingungen dies zulassen, indem schrittweise eine höhere Vergütung für die Rekapitalisierung verlangt wird.

Sozial- integrativer Übergang zur Klimaneutralität bis 2050

Aus Sicht der Kommission spielen sowohl  die grüne als auch die digitale Transformation eine vorrangige Rolle für die Erholung des EU-Binnenmarktes. Diese Ziele sollen von den Mitgliedstaaten auch bei der Ausarbeitung nationaler Fördermaßnahmen berücksichtigt werden. Die konkrete Ausgestaltung dieser Regelungen obliegt dabei den Mitgliedstaaten.

Beihilfen für Unternehmen in Form von hybriden Kapitalinstrumenten

Neben Rekapitalisierungsmaßnahmen haben Mitgliedstaaten nunmehr auch die Möglichkeit, Instrumente mit einer Eigenkapitalkomponente (sogenannte „Hybridkapitalinstrumente“), insbesondere Genussrechte, Stille Einlagen und konvertierbare besicherte oder unbesicherte Schuldverschreibungen zu gewähren. Die Kommission fordert auch hier eine angemessene Vergütung und konkretisiert diese in dem Vorübergehenden Beihilferahmen.

Die Umwandlung von hybriden Kapitalinstrumenten in Eigenkapital ist dabei unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Nach der Umwandlung in Eigenkapital muss ein Aufstockungsmechanismus eingeführt werden, um die Vergütung des Staates zu erhöhen und die Begünstigten zu motivieren, die staatlichen Kapitalzuführungen zurückzukaufen. Befindet sich das Eigenkapital zwei Jahre nach der Umwandlung in Eigenkapital noch im Besitz des Staates, erhält der Staat zusätzlich zu seiner verbleibenden Beteiligung, einen zusätzlichen Anteil am Eigentum des Begünstigten. Dieser zusätzliche Eigentumsanteil beträgt mindestens 10% der verbleibenden Beteiligung, die sich aus der Umwandlung der COVID-19-Hybridkapitalinstrumente durch den Staat ergibt. Die Kommission kann alternative Aufstockungsmechanismen akzeptieren, sofern sie den gleichen Anreizeffekt und ähnliche Auswirkungen auf die staatliche Vergütung haben. Die Mitgliedstaaten können auch eine Preisformel wählen, die zusätzliche Aufstockungs- oder Amortisationsklauseln enthält. Diese sollten so gestaltet sein, dass sie ein vorzeitiges Ende der Rekapitalisierungsunterstützung des Begünstigten durch den Staat fördern. Da die Art der hybriden Instrumente erheblich variiert, gibt die Kommission keine Leitlinien für alle Arten von Instrumenten vor. Hybride Instrumente müssen in jedem Fall den oben genannten Grundsätzen folgen, wobei die Vergütung das Risiko der jeweiligen Instrumente widerspiegelt.

Bedingungen für die Governance

Grundsätzlich gilt: Je geringer die Beteiligung des Mitgliedstaats und je höher die Vergütung, desto weniger Schutzmaßnahmen sind erforderlich. Folgende Eckpunkte sind aber zu beachten:

  • Um unangemessene Verzerrungen des Wettbewerbs zu vermeiden, dürfen die Begünstigten keine aggressive kommerzielle Expansion betreiben, die durch staatliche Beihilfen oder Begünstigte finanziert wird, die übermäßige Risiken eingehen. Wird durch eine COVID-19-Rekapitalisierungmaßnahme über 250 Mio. EUR ein Unternehmen mit erheblicher Marktmacht finanziert, müssen die Mitgliedstaaten zusätzliche Maßnahmen vorschlagen, um einen wirksamen Wettbewerb auf diesen Märkten aufrechtzuerhalten. Die Vorschläge der Mitgliedstaaten können sich dabei an der Fusionskontrollverordnung orientieren.
  • Begünstigten, die eine COVID-19-Rekapitalisierungsmaßnahme erhalten, ist es untersagt, diese für kommerzielle Zwecke zu bewerben.
  • Solange mindestens 75% der COVID-19-Rekapitalisierungsmaßnahmen nicht zurückgezahlt wurden, dürfen große Unternehmen nicht mehr als 10% der Anteile an Wettbewerbern oder anderen Betreibern derselben Branche, einschließlich vorgelagerter Unternehmen, erwerben. In Ausnahmefällen und unbeschadet der Fusionskontrolle können diese Begünstigten nur dann einen Anteil von mehr als 10% an den vor- oder nachgelagerten Betreibern in ihrem Tätigkeitsbereich erwerben, wenn der Erwerb zur Aufrechterhaltung der Lebensfähigkeit des Begünstigten erforderlich ist.
  • Staatliche Beihilfen dürfen nicht zur Quersubventionierung wirtschaftlicher Aktivitäten integrierter Unternehmen verwendet werden, die sich bereits am 31. Dezember 2019 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befanden.
  • In integrierten Unternehmen ist eine Trennungsrechnung einzuführen, um sicherzustellen, dass die Rekapitalisierungsmaßnahme diesen Aktivitäten nicht zu Gute kommt.
  • Solange die Rekapitalisierungsmaßnahmen nicht vollständig zurückgezahlt wurden, können die Begünstigten keine Dividendenzahlungen, nicht obligatorische Couponzahlungen oder Rückkäufe von Aktien leisten, außer in Bezug auf den Staat.
  • Solange mindestens 75% der Rekapitalisierungsmaßnahmen nicht zurückgezahlt wurden, darf die Vergütung jedes Mitglieds der Geschäftsführung des Begünstigten den am 31. Dezember 2019 festgelegten Teil seiner Vergütung nicht überschreiten. Unter keinen Umständen werden Prämien, andere variable oder vergleichbare Vergütungselemente gezahlt.

Bedingungen für den Ausstieg des Staates aus dem Kapital der betreffenden Unternehmen

Große Unternehmen, die eine COVID-19-Rekapitalisierung von mehr als 25% des Eigenkapitals erhalten haben, müssen eine Ausstiegsstrategie für die Beteiligung des Mitgliedstaats nachweisen, es sei denn, die Intervention des Staates wird unter das Niveau von 25% gesenkt. Dafür müssen sie einen Rückzahlungsplan vorlegen, der die Fortsetzung ihrer Tätigkeit und die Verwendung der Mittel belegt – einschließlich eines Zahlungsplans für die Vergütung und die Rückzahlung der staatlichen Investition – und die Maßnahmen darstellen, die der Begünstigte und der Staat ergreifen werden, um den Rückzahlungsplan einzuhalten.

Die Ausstiegsstrategie sollte innerhalb von 12 Monaten nach Gewährung der Beihilfe vorbereitet, dem Mitgliedstaat vorgelegt und vom Mitgliedstaat gebilligt werden. Wenn nach sechs Jahren die Rekapitalisierung nicht unter 15% gesenkt wurde, muss der Kommission ein Umstrukturierungsplan gemäß den Rettungs- und Umstrukturierungsrichtlinien zur Genehmigung vorgelegt werden. Die Kommission wird prüfen, ob die im Umstrukturierungsplan vorgesehenen Maßnahmen die Lebensfähigkeit des Begünstigten sicherstellen, auch im Hinblick auf die Ziele und nationalen Verpflichtungen der EU im Zusammenhang mit der grünen und digitalen Transformation.

Öffentliche Transparenz und Berichterstattung

Wenn den Begünstigten im Rahmen von nationalen Beihilfeprogrammen Rekapitalisierungsbeihilfen gewährt werden, müssen die Mitgliedstaaten innerhalb von drei Monaten nach der Rekapitalisierung Angaben zur Identität der Unternehmen, die Beihilfen erhalten haben, und über die Höhe der Beihilfen veröffentlichen. Große Unternehmen werden verpflichtet, die Verwendung der erhaltenen Beihilfen zu veröffentlichen. Die Berichtspflicht betrifft auch die Verwendung der erhaltenen Beihilfen im Zusammenhang mit der grünen und digitalen Transformation, die an die Gewährung der Beihilfen geknüpft ist.

Diesen Beitrag verfasste Rechtsanwältin Gabriele Quardt in ihrer Zeit bei Müller-Wrede & Partner

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