Bereits seit 2013 untersucht die Kommission die mitgliedstaatliche Praxis sog. Steuervorbescheide („tax rulings“) auf ihre Vereinbarkeit mit dem Beihilfenrecht. Lux Leaks sei Dank ist zunächst besonders Luxemburg in den Fokus geraten. Aber auch die übrigen Mitgliedstaaten der Union haben der Kommission inzwischen Auskunft geben müssen. In 2014 eröffnete sie zudem mehrere förmliche Prüfverfahren – u.a. Apple, Starbucks, Fiat und Amazon wurden als potentielle Beihilfenempfänger benannt. Nun hat die Kommission erste Entscheidungen gefällt: Sie stellte fest, dass Luxemburg der Finanzierungsgesellschaft von Fiat (FFT) und die Niederlande der Kaffeerösterei der Starbucks-Gruppe mittels Steuervorbescheid selektive Steuerbegünstigungen gewährt haben, die gegen das Beihilfenrecht verstoßen. Beide Unternehmen müssen nun mit einer Beihilfenrückforderung in Form einer Steuernachzahlung in Höhe von ca. 30 Mio. € rechnen.
In der heute veröffentlichten Pressemitteilung betont die Kommission, dass Steuervorbescheide als solche ein probates und legales Mittel der Steuerbehörden sind, um Unternehmen über die Anwendung und Berechnung der zu entrichtenden Steuern Klarheit zu verschaffen. Durch die Steuervorbescheide, die Luxemburg und die Niederlande für die Fiat Finance Trade bzw. die Starbucks Manufacturing EMEA BV erlassen haben, seien den Unternehmen jedoch beihilfenrelevante Steuervorteile gewährt worden, da die Bescheide den Unternehmen Methoden zur Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinns genehmigten, die nicht die wirtschaftliche Realität wiedergeben, so dass die Unternehmen in der Konsequenz ihre Gewinne verlagern konnten und weniger Steuern zahlen mussten als andere Unternehmen.
Konkret wurde zugelassen, dass für Waren oder Dienstleistungen, die ein Unternehmen bei einem Tochter-oder Schwesterunternehmen der gleichen Unternehmensgruppe kauft, Verrechnungspreise festgelegt werden, die nicht den Marktpreisen entsprechen. Im Fall von Starbucks (Verfahren SA.38374) zahlte die Kaffeerösterei einem im Vereinigten Königreich ansässigen Schwesterunternehmen marktunüblich hohe Lizenzgebühren und einer Schweizer Schwester überhöhte Preise für Kaffeebohnen. Im Ergebnis wurde hierdurch der größte Teil des Umsatzes auf die britische Schwestergesellschaft verlagert, wo er ebenfalls nicht besteuert wurde. Im Fall der Finanzierungsgesellschaft von Fiat (Verfahren SA.38375) wurde die den steuerpflichtigen Gewinn bestimmende Kapitalrendite im Steuervorbescheid in zweierlei Hinsicht künstlich gesenkt: Zum einen wurde die Eigenkapitalausstattung des Unternehmens zu niedrig geschätzt und zum anderen wurde die Vergütung für das zu niedrig angesetzte Kapital weit unter den marktüblichen Sätzen angesetzt. Im Ergebnis zahlte das Unternehmen dadurch nur auf einen geringen Teil seines tatsächlichen Gewinns Steuern.
Die Kommission hat bereits angekündigt, die Untersuchung der Steuervorbescheidspraxis in allen Mitgliedstaaten fortzusetzen und schließt die Eröffnung weiterer förmlicher Prüfverfahren nicht aus. Zunächst dürften allerdings die Beschlüsse in den übrigen schon laufenden Verfahren ergeben, die Steuervorbescheide Irlands für Apple (Verfahren SA.38373) und Luxemburgs für Amazon (Verfahren SA.38944) sowie eine belgische Steuerregelung (Verfahren SA.37667) betreffen.
Diesen Beitrag schrieb Rechtsanwältin Julia Lipinsky während ihrer Zeit bei Müller-Wrede & Partner