Rote Karte für den spanischen Fußball

Unfairerer Vorteil für spanische Fußballvereine – 1:0 für die Kommission nach Verlängerung

 Auf Anpfiff des Europäischen Ombudsmanns eröffnete die Kommission bereits in 2013 die beihilferechtliche Partie gegen Spanien. Auf dem Spielfeld befinden sich sieben spanische Fußballvereine, die – wie die Kommission nun mit Beschluss vom 4. Juli 2016 feststellt – unter Verstoß gegen das EU-Beihilfenrecht einen unfairen Vorteil erlangt haben. Nach Verlängerung – ohne Elfmeterschießen – erteilt die Kommission Spanien damit eine rote Karte und fordert den Mitgliedstaat auf, die rechtswidrigen Beihilfen von den Begünstigten zurückzufordern. Nachdem vorzeitigen Aus des ehemaligen Welt- und Europameisters bei der EM steht es jetzt auch noch 1:0 für die Kommission. Abzuwarten bleibt jedoch das Ergebnis eines möglichen Rückspiels in Luxemburg.

Beihilferechtliches Foul durch Spanien – Gewährung eines unfairen Vorteils

Mit von der Partie sind neben den bekannten spanischen Fußballgiganten FC Barcelona und Real Madrid, Fundacíon Valencia und Athletic Bilbao auch weniger bekannte Player wie Atlético Osasuna, FC Elche und FC Hercules. Beihilferechtlich überprüft hat die Kommission dabei unterschiedliche staatliche Maßnahmen. So geht es zum einen um körperschaftsteuerliche Sonderregelungen für einige Sportclubs. Obwohl nach spanischem Steuerrecht Profifußballclubs wie Real Madrid, FC Barcelona, Athletic Bilbao und Atlético Osasuna als Gesellschaften mit beschränkter Haftung gelten und auch besteuert werden müssten, wurden diese Clubs von den spanischen Finanzämtern seit 1990 als Organisationen ohne Erwerbszweck eingestuft. Die betroffenen Clubs mussten damit nur eine Körperschaftssteuer von 25% anstelle der geltenden 30% zahlen. Eine entsprechende Anpassung der Steuerregeln verbunden mit der Abschaffung der steuerlichen Diskriminierung ist in der Zwischenzeit bereits durch die spanischen Behörden erfolgt. Diese werden nun auch die einzelnen Rückforderungsbeträge zu ermitteln haben.

Real Madrid trifft es aber noch härter. Die Kommission kommt zu dem Ergebnis, dass der spanische Rekordmeister aus einem Grundstücksdeal mit der Stadt Madrid einen beihilferelevanten Vorteil von 18,4 Mio. € erlangt hat. Ein zwischen dem Fußballclub und der spanischen Hauptstadt abgeschlossener Grundstückskaufvertrag aus dem 1998 scheiterte aufgrund einer gesetzlichen Regelung aus dem Jahr 2003, die die betroffene Fläche „Las Tablas“ als öffentliches Gut auswies und daher eine Übertragung auf Real nunmehr ausschloss. Noch in 1998 war der Wert des Grundstücks auf 595.000 € geschätzt worden. Um die Nichtübertragbarkeit des Grundstücks auszugleichen, suchten die Parteien im Jahr 2011 nach Wegen für eine Ausgleichsvereinbarung. Zuvor wurde das Grundstück erneut begutachtet und der Wert auf 22,7 Mio. € beziffert. Die Kommission ist in ihrem Beschluss zu dem Ergebnis gekommen, dass Real jedoch lediglich einen Anspruch auf Entschädigung iHv. 4,3 Mio. € zugestanden und der Proficlub daher einen rechtswidrigen Vorteil von 18,4 Mio. € erhalten habe, der nunmehr (zzgl. Zinsen) zurück zu gewähren sei.

Die Kommission prüft außerdem Bürgschaften des staatseigenen Instituto Valenciano de Finanzas, mit deren Hilfe die Vereine Valencia, Hercules und Elche trotz finanzieller Probleme an Darlehen kamen. Hercules soll deshalb 6,1 und Elche 3,7 Mio. € zurück erstatten. Valencia trifft mit 20,4 Mio. € der größte Betrag. Die drei Vereine befanden sich nach Angaben der Kommission zum Zeitpunkt der Bürgschaftsgewährung in finanziellen Schwierigkeiten. Der für eine Genehmigung dieser Art von Beihilfen erforderliche Umstrukturierungsplan konnte jedoch seitens der spanischen Behörden für keinen der drei Clubs vorgelegt werden.

„Nach dem Spiel ist vor dem Spiel…“

Nach dem Spiel ist man immer schlauer. Das trifft auch für Beihilfeverfahren und in diesem Fall wohl auch für Spanien zu. Absehbar und damit wenig überraschend ist die Tatsache, dass die Kommission Profifußballclubs die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit unterstellt. Diesen Ansatz hat die Kommission zuletzt in mehreren Beschlüssen zur beihilferechtlichen Bewertung staatlicher Finanzierungen von Multifunktions- und Sportarenen bestätigt, wenn es um die Bewertung der beihilferelevanten Begünstigung auf Nutzerebene ging (s. dazu den Blogbeitrag http://beihilfen-blog.eu/infrastruktur-tempora-mutantur/). Die Kommission hat dabei deutlich gemacht, dass zumindest Fußballclubs in Deutschland bis einschließlich der 3. Liga als Proficlubs anzusehen sind und damit die Unternehmenseigenschaft iSd. Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllen (Beschluss der Kommission zum Fußballstadium in Chemnitz).

Die Kommission begründet diesen Ansatz mit der wirtschaftlichen Betätigung der Sportclubs in Marktsegmenten wie Werbung, Verkauf von Fernsehrechten, Spielertransfers sowie Ticketverkauf. In diesen Bereichen würden die Vereine auf internationaler Ebene konkurrieren und dabei zT. sehr hohe Umsätze erwirtschaften.

Im Ergebnis müssen sich daher Proficlubs in jeder Sportart an der gleichen beihilferechtlichen Messlatte messen lassen, wie Unternehmen der Realwirtschaft. Kann daher bei einer staatlichen Unterstützung nicht bereits der Beihilfentatbestand z.B. aufgrund eines rein marktwirtschaftlichen Verhaltens der öffentlichen Hand ausgeschlossen werden, geht es um die Genehmigungsfähigkeit der Beihilfe.

Eine Beihilfe liegt dabei nicht nur im Fall der Gewährung eines Zuschusses vor, sondern auch in Form eines Darlehens oder einer Bürgschaft. Aber auch die Stundung oder Reduzierung der Stadionmiete über das marktübliche Maß hinaus oder der Verkauf eines Grundstücks können eine Beihilfe beinhalten. Da es sich dabei um Betriebsbeihilfen handeln dürfte, kommt i.d.R. nur eine Genehmigung auf Grundlage der Leitlinien zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten in Betracht.

Die Genehmigung einer Umstrukturierungsbeihilfe ist u.a. mit der Vorlage eines Umstrukturierungsplans verbunden, aus dem hervorgehen muss, wie der begünstigte Sportclub mittelfristig wieder rentabel und wie die mit der Gewährung einer Beihilfe verbundene Wettbewerbsverzerrung ausgeglichen werden kann. Das eine beihilferechtliche Genehmigung auch für Maßnahmen zugunsten von Fußballproficlubs grundsätzlich möglich ist, zeigen die Beschlüsse der Kommission über Beihilfen zugunsten der niederländischen Fußballvereine Den Bosch, MVV, NEC und Willem II. In diesen Verfahren ist die Kommission zu dem Ergebnis gekommen, dass die betroffenen Fußballvereine einen realen Umstrukturierungsplan durchgeführt haben. Die Vereine haben dabei die Umstrukturierung durch einen erheblichen Eigenbeitrag unterstützt. Zur Begrenzung der Wettbewerbsbeeinträchtigung wurde die Anzahl der Mitarbeiter und das Spielerkader reduziert sowie die Spielergehälter gekürzt.

Dies zeigt, dass gerade bei der staatlichen Unterstützung eines in Schieflage geratenen Proficlubs das Beihilfenrecht zukünftig mitgedacht und mit der Ausarbeitung eines Umstrukturierungsplans verbunden werden sollte, mit dem Ziel, den betreffenden Verein in den Bereich der eigenständigen wirtschaftlichen Lebensfähigkeit zurückzuführen. Dies kann durchaus mit schmerzhaften Einschnitten verbunden sein, wie die Beschlüsse der Kommission zu den niederländischen Sportvereinen zeigen. Auf der anderen Seite wird jedoch aus den Verfahren zu den spanischen Fußballclubs deutlich, dass anderenfalls ein erhebliches beihilferechtliches Rückforderungsrisiko besteht. Die Kommission hat übrigens die Möglichkeit, potentielle Beihilfen rückwirkend bis zu 10 Jahren auszugreifen.

Diesen Beitrag verfasste Rechtsanwältin Gabriele Quardt in ihrer Zeit bei Müller-Wrede & Partner

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