„Rise like a phoenix“? Das EuG bestätigt die Rechtmäßigkeit der Austrian Airlines im Zusammenhang mit der Übernahme durch Lufthansa gewährten Umstrukturierungsbeihilfen

Rise like a phoenix“ – mit diesem Titel gewann Österreich 2014 den „European Song Contest“. Nicht nur die Chancen der größten österreichischen Fluggesellschaft Austrian Airlines (AUA) sich in ähnlicher Weise zu erneuern und wieder erfolgreich durchzustarten, dürften mit dem Urteil „Niki Luftfahrt“ vom 13.05.2015 (Rs. T-511/09) gestiegen sein. Das EuG bestätigt die Flexibilität der Kommissionsleitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten („R+U-Leitlinien“).

Im Zeichen des Kranichs – Umstrukturierung der AUA durch Verkauf an Lufthansa

Wie viele andere staatliche Fluggesellschaften kämpfte auch die AUA viele Jahre mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Im Jahr 2008 beschloss der österreichische Staat daher das Unternehmen durch Veräußerung seiner Mehrheitsanteile zu privatisieren. Nach einem Ausschreibungsverfahren fiel die Wahl auf die Deutsche Lufthansa. Diese bot für die staatlichen Anteile angesichts der erheblichen Schuldenlast der AUA einen „negativen Preis“. Dieser bestand aus der Zahlung eines Kaufpreises von 366.268,75 €, einer möglichen weiteren Leistung von bis zu 162 Mio. € durch Lufthansa aus einem Besserungsschein sowie der Zahlung von 500 Mio. € durch Österreich für eine Kapitalerhöhung bei der AUA. Die geplante Veräußerung wurde der Kommission zur beihilferechtlichen Prüfung sowie zur Fusionskontrolle angemeldet. Beide Verfahren schloss die Kommission am 28. August 2009 mit bedingten Genehmigungsentscheidungen ab.

Die Kommission gibt Starterlaubnis …

In ihrer Beihilfeentscheidung kam die Kommission dabei zu dem Ergebnis, dass der negative Preis eine Beihilfe zugunsten der AUA sei, da die Insolvenz des Unternehmens für den österreichischen Staat die kostengünstigere Alternative gewesen wäre. Die Beihilfe sei aber vorbehaltlich der Einhaltung bestimmter Bedingungen (u.a. der Auflagen aus der Fusionskontrollentscheidung) und der vollständigen Umsetzung des notifizierten Umstrukturierungsplans mit den Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten („R+U-Leitlinien“) vereinbar und daher als Umstrukturierungsbeihilfe zu genehmigen.

und Niki klagt

Als direkter Konkurrent der AUA hatte die Niki Luftfahrt GmbH („Niki“) mehrfach wettbewerbliche Bedenken gegen die Übernahme durch die Lufthansa geäußert. Nachdem sie in den Prüfverfahren mit ihren Argumenten nicht durchgedrungen war, wandte sie sich mit Nichtigkeitsklagen (Rs. T-511/09 und T-162/10) gegen die Genehmigungsentscheidungen der Kommission.

Das Urteil des EuG – eine Chance zum Neustart?

Beide Klagen hat das EuG nun zurückgewiesen. Dabei sah das Gericht die Klage gegen die Genehmigung der Umstrukturierungsbeihilfe zwar nicht bereits als unzulässig an, weil Niki sich zur Begründung auf die vertrauliche Fassung der Kommissionentscheidung stützte, die ihr unter Verletzung der Vertraulichkeit bekannt geworden war. Das Gericht hielt aber keinen der von Niki vorgebrachten Klagegründe für begründet: Seiner Auffassung nach konnte Niki weder belegen, dass die Kommission ihre Entscheidung unzureichend begründet hat noch dass ihr bei der Beurteilung der Beihilfe anhand der R+U-Leitlinien ein offensichtlicher Fehler unterlaufen wäre oder sie ihr Ermessen missbraucht hätte.

Das Gericht sah insbesondere keinen Fehler darin, dass die Kommission die AUA und nicht die Lufthansa als Beihilfenempfänger angesehen habe. Das EuG hob hervor, dass die Kommission nach Prüfung der Marktbedingungen zu dem Ergebnis gekommen war, dass der von Österreich akzeptierte negative Preis dem Marktpreis der AUA-Anteile entsprach, was Niki nicht gerügt habe. Die Kommission habe die AUA auch als förderungswürdiges Unternehmen ansehen können, obwohl Unternehmen, die im Begriff sind von einer Unternehmensgruppe übernommen zu werden, nach den R+U-Leitlinien keine Umstrukturierungsbeihilfen erhalten dürfen, wenn die Gruppe die Mittel hat, um die Schwierigkeiten selbst zu bewältigen. Das EuG erklärte, dass dieser Grundsatz nicht auf die – im Fall der AUA gegebene – Situation abziele, in der die Umstrukturierungsbeihilfe Bestandteil des für die Übernahme von der Unternehmensgruppe gebotenen Preises ist. Der finanzielle Beitrag, den die Unternehmensgruppe im Fall der Übernahme zu den Umstrukturierungskosten leisten wird, könne gleichwohl bei dem von den R+U-Leitlinien vorausgesetzten Eigenbeitrag des Beihilfenempfängers berücksichtigt werden. Das Gericht konkretisierte, dass dieser Beitrag neben Geld-oder Sachkapital auch in der Übernahme von Kosten des Zusammenschlusses sowie künftiger Betriebsverluste bestehen könne, wenn dies zur Verringerung des Verschuldungsgrades des notleidenden Unternehmens beiträgt.

Niki konnte zudem nicht mit der Rüge durchdringen, dass die Kommission einen unzulänglichen Umstrukturierungsplan und unzureichende Ausgleichsleistungen für die durch die Beihilfe hervorgerufenen Wettbewerbsverzerrungen akzeptiert habe. Das Gericht bestätigte zwar, dass ein Umstrukturierungsplan nicht nur finanzielle Maßnahmen (Kapitalzuführung, Schuldenabbau) sondern auch betriebliche Maßnahmen zur Reorganisierung und Rationalisierung enthalten müsse. Dies schließe jedoch nicht aus, dass die Umstrukturierungsbeihilfe bei erheblich verschuldeten Unternehmen im Wesentlichen zum Schuldenabbau verwendet werden könne. Auch die in der angefochtenen Entscheidung als Ausgleichsleistungen vorgesehenen Kapazitätsbeschränkungen stünden im Einklang mit den R+U-Leitlinien, da sie zunächst zu Reduzierungen in allen Geschäftsfeldern der AUA führten und – um das Ziel der langfristigen Überlebensfähigkeit des Unternehmens nicht zu konterkarieren – anschließend erlaubten, dass die Kapazitäten des begünstigten Unternehmens wie der Markt wachsen dürfen.

Fazit

Das Urteil „Niki Luftfahrt“ dürfte nicht nur für die am Rechtsstreit beteiligten Unternehmen erhebliche Bedeutung haben, sondern ist auch für künftige Entscheidungen über Umstrukturierungsbeihilfen von Interesse. Das EuG bestätigt nicht nur die flexible Anwendung der R+U-Leitlinien und das Ermessen der Kommission im Einzelfall. Die vom Gericht behandelten Auslegungsfragen bleiben auch für die seit dem 01.08.2014 geltenden R+U-Leitlinien relevant. Abzuwarten bleibt, ob die Beteiligten das Urteil hinnehmen oder ob der Rechtsstreit in eine weitere Runde geht…

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