Jugendherberge – der Begriff weckt bei vielen die Erinnerung an Klassenfahrten, Stockbetten und kalten Hagebuttentee. Aber wie bei anderen Erinnerungen auch entspricht dieses Bild nicht mehr ganz der Realität. Viele Jugendherbergen haben inzwischen Hotelstandard und richten ihr Angebot nicht mehr nur auf Schulklassen aus. Ihre staatliche Förderung rückt damit in das Blickfeld des Beihilfenrechts – eine erste Entscheidung hierzu hat die Kommission nun getroffen.
Es mag sie immer noch geben – die „klassischen“ Jugendherbergen. Viele Einrichtungen haben sich inzwischen aber zu attraktiven Unterkünften gemausert, die um die Gunst verschiedenster Nutzer werben. Ein Blick auf die Homepage des Deutschen Jugendherbergswerks (DJH) verrät: Das Angebot ist vielfältig. Neben Übernachtungen im Wasserturm, auf Schiffen oder im Baumhaus bieten die Jugendherbergen Tagungsräume ebenso an wie Ayurveda-Singlereisen, Knigge-Workshops oder Rohkostwanderwochen…
Hostel-Betreiber beschwert sich
Diese Entwicklung ruft natürlich Wettbewerber auf den Plan – allen voran die kommerziellen Betreiber von günstigen Hostels. Einer von ihnen, die Gruppe A&O Hostels, hatte sich bereits 2011 mit einer Beihilfenbeschwerde an die Europäische Kommission gewandt. Darin rügte er die vielfältigen Investitionshilfen, die Jugendherbergen von Bund, Ländern und Kommunen gewährt würden. Zudem wandte sich der Beschwerdeführer gegen die Steuerbefreiungen, von denen das DJH und seine Landesverbände als gemeinnützige Körperschaften profitieren, soweit sie Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Beherbergung von Personen im Alter von unter 27 Jahren erbringen. Hierzu gehören einerseits die Befreiung von Körperschafts-, Gewerbe-und Grundsteuer und andererseits die Befreiung von der Umsatzsteuer. Mit Beschluss vom 26.10.2015 hat die Kommission nun die vorläufige Prüfung der steuerlichen Maßnahmen abgeschlossen (Beihilfesache SA.33206). Die Prüfung der öffentlichen Zuwendungen für Investitionen der Jugendherbergen ist als Beihilfesache SA.43068 dagegen weiter anhängig.
Kommission stellt seit den 1950er Jahren bestehende Beihilfen für das DJH fest
In ihrem Beschluss vom 26.10.2015 kommt die Kommission zu dem Ergebnis, dass gegen die dem DJH gewährten Steuerbefreiungen keine beihilferechtlichen Bedenken bestehen. Dies zum einen deshalb weil die Gemeinnützigkeit der DJH nach deutschem Recht bereits seit 1934 anerkannt ist und hieraus seit spätestens 1951 die vollständige Befreiung der Jugendherbergen von der Grundsteuer und seit spätestens 1953 die Befreiung von der Körperschafts- und der Gewerbesteuer folgt. Die Kommission stellte fest, dass die begünstigenden Steuermaßnahmen damit bereits vor dem Inkrafttreten der Römischen Verträge im Jahr 1958 bestanden und somit als bestehende Beihilfen i.S.v. Art. 1 lit. b Ziffer i) VO 2015/1589 zu qualifizieren seien. Da sich die maßgeblichen nationalen Rechtsvorschriften seither auch nur in formaler Hinsicht geändert haben, könne keine neue oder rechtswidrige Beihilfe festgestellt werden.
…und die Umsatzsteuerbefreiung ist nicht staatlich
In Bezug auf die Befreiung von der Umsatzsteuer stelle die Kommission dagegen fest, dass diese Ergebnis der Umsetzung der europäischen Mehrwertsteuerrichtlinie in nationales Recht sei. Da aus dem europäischen Recht, konkret Art. 132 Abs. 1 lit. h RL 2006/112/EG, eine unbedingte Befreiungspflicht für eng mit der Kinder-und Jugendbetreuung verbundene Leistungen folge, die durch von den Mitgliedstaaten anerkannte soziale Einrichtungen erbracht werden, sei die Steuerbefreiung der DJH nicht Deutschland zuzurechnen, so dass keine Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV vorläge.
Fazit
Das vorliegende Verfahren belegt einmal mehr, dass das Beihilfenrecht zunehmend von Wettbewerbern als ein Instrument zur Durchsetzung ihrer Interessen wahrgenommen wird. Es zeigt aber auch, dass für die Wettbewerber der Teufel im Detail liegt und das Beihilfenrecht keine Fragen lösen kann, die auf nationaler Ebene entschieden werden müssen. So liegt der Fall letztlich auch hier: Die Frage, die sich aufdrängt ist nämlich die, ob die Jugendherbergen weiterhin aufgrund der Tatsache, dass sich ihr Angebot vorrangig an Personen unter 27 Jahren richtet und wohl auch pädagogischen Inhalte umfasst, in vollem Umfang als gemeinnützig einzuordnen ist oder ob angesichts der zunehmend breiteren Marktausrichtung nicht eine feinere Differenzierung erforderlich geworden ist. Hierbei handelt es sich allerdings um eine Frage, für deren Beantwortung die Kompetenzen beim nationalen Gesetzgeber liegen.
Diesen Beitrag schrieb Rechtsanwältin Julia Lipinsky während ihrer Zeit bei Müller-Wrede & Partner