Ein wenig (Nord)Licht für die beihilferechtliche Beurteilung von Tourismusförderung


Seit dem 10.07.2017 ist die durch die VO 2017/1084 erweiterte AGVO in Kraft. Diese bringt insbesondere neue Freistellungstatbestände für Regionalflughäfen und Häfen sowie Vereinfachungen für Kulturbeihilfen mit sich (vgl. Blogbeitrag vom 19.05.2017). Nicht durchgesetzt hat sich indes der im Konsultationsverfahren besonders durch Deutschland vorgetragene Wunsch nach einem Freistellungstatbestand für Tourismusbeihilfen. Angesichts der fehlenden Entscheidungspraxis der Kommission ist dies zwar verständlich, beseitigt allerdings nicht die Unsicherheiten, die bei der öffentlichen Finanzierung von Maßnahmen der Tourismusförderung bestehen (vgl. hierzu auch den Blogbeitrag vom 11.04.2016). Etwas Hilfestellung vermag die bereits am 04.11.2015 ergangene, aber erst jetzt im Amtsblatt der EU veröffentlichte Entscheidung der EFTA-Überwachungsbehörde zu geben, in der sich diese mit mutmaßlichen Beihilfen zugunsten der norwegischen Wirtschaftsförderungseinrichtung Innovation Norwegen sowie regionaler Tourismusverbände und Destinationsmanagementorganisationen auseinander gesetzt hat (Entscheidung Nr. 469/15/COL).

Worum geht es?

Innovation Norwegen bzw. Innovasjon Norge (IN) ist das Instrument der norwegischen Regierung zur Förderung von Innovation und wirtschaftlicher Entwicklung Norwegens. In dieser Eigenschaft ist IN u.a. Ansprechpartner für Investoren und Unternehmen im In-und Ausland, verwaltet und implementiert aber auch Beihilfeprogramme. Gesetzlich zugewiesen ist ihr ferner die Aufgabe, den norwegischen Tourismussektor auf nationaler Ebene zu fördern. Zu diesem Zweck betreibt die IN die offizielle Website visitnorway.com und bietet damit zusammenhängende IT-Dienstleistungen sowie Marketing und Werbung im Tourismussektor an. Kunden ihrer Leistungen sind dabei die regionalen Tourismusverbände (RTV) und Destinationsmanagementorganisationen (DMO), die wiederum den regionalen und lokalen Tourismus fördern. Sie können auf der von IN betriebenen Website spezifische touristische Inhalte gegen Zahlung eines Jahresbeitrags bewerben.

Im Zuge einer neuen nationalen Tourismusstrategie, deren Ziel u.a. die Konsolidierung der vorhandenen mannigfaltigen touristischen Internetangebote war, baute IN ihre Website ab 2014 dahingehend aus, dass sie RTV und DMO, auch die wesentlichen IT-Leistungen eines sog. Destinationsmanagementsystems anbot. D.h. den fraglichen Einrichtungen wurde – zunächst im Rahmen eines Pilotprojektes – die Möglichkeit gegeben, ihre eigenen Websites auf visitnorway.com zu verlegen und verschiedene Datenbank- (Destinator-und Distribution-Funktionen) und Werbefunktionen zu nutzen. Dies rief einen privaten Anbieter der fraglichen Internetdienste auf den Plan. Dieser beschwerte sich bei der EFTA-Überwachungsbehörde wegen mutmaßlicher rechtwidriger Beihilfen zugunsten der IN sowie auch den RTV und DMO als Empfänger ihrer Leistungen. Seiner Auffassung nach verlasse die IN mit den neu angebotenen wirtschaftlichen Dienstleistungen ihren allgemeinen öffentlichen Auftrag und nutze hierbei ihre staatliche Finanzierung, was besonders durch eine fehlende getrennte Buchführung und den Verzicht auf Gewinne belegt werde. Zudem verlange IN von den RTV und DMO Preise unter Marktniveau, was diese begünstige.

Die EFTA-Überwachungsbehörde hat nach einer vorläufigen Prüfung der Beschwerde das förmliche Prüfverfahren eingeleitet. Anders als noch in der Einleitungsentscheidung konnte die Überwachungsbehörde hiernach den Verdacht der Beihilfegewährung allerdings ausräumen. Sie kam zu dem Schluss, dass die von IN mit den RTV und DMO abgeschlossenen Dienstleistungsverträge marktüblichen Bedingungen entsprächen und keine Anhaltspunkte für eine Quersubventionierung wirtschaftlicher Tätigkeiten vorliegen.

Was ist interessant?

Die EFTA-Überwachungsbehörde setzt sich in ihrer Entscheidung ausführlich damit auseinander, ob IN als Unternehmen i.S.d. Beihilfebegriffs des EWR-Abkommens zu betrachten ist. Die Entscheidung enthält insoweit einige klärende Feststellungen, wann im Bereich der Tourismusförderung von einer nicht-wirtschaftlichen Tätigkeit auszugehen ist. Ferner zeigt die Prüfung der Überwachungsbehörde, welche Anforderungen an eine objektive und transparente Kostenzuordnung zu stellen sind, damit eine beihilfenrelevante Quersubventionierung wirtschaftlicher Tätigkeiten ausgeschlossen werden kann. Da das Beihilfenverbot des EWR-Abkommens dem des Art. 107 AEUV entspricht, bietet die Entscheidung auch für Argumentationen im Anwendungsbereich der AEUV einige Anhaltspunkte.

Nicht-wirtschaftliche vs. wirtschaftliche Tourismusförderung

Die norwegischen Behörden hatten im Prüfverfahren vorgetragen, dass es sich bei den von IN neu angebotenen Internetinfrastrukturleistungen und den damit zusammenhängenden Dienstleistungen um nichtwirtschaftliche Tätigkeiten handele, da diese untrennbarer Bestandteil ihrer Tätigkeiten zur Förderung des Norwegen-Tourismus seien. Hierbei handele es sich um Maßnahmen der allgemeinen Wirtschaftsförderung, die selbst nicht als wirtschaftlich zu qualifizieren sei. Für den Fall, dass gleichwohl von einer Beihilfe auszugehen sei, müsse diese jedenfalls als Vergütung für eine DawI angesehen werden.

Auf letztere Überlegung ist die EFTA-Überwachungsbehörde in ihrer Entscheidung nicht weiter eingegangen, da sie zu dem Schluss kommt, dass die IN zwar nicht-wirtschaftliche und wirtschaftliche Tätigkeiten ausübe, für sie oder ihre Kunden jedoch keine beihilferelevante Begünstigung festzustellen sei. Die Überwachungsbehörde stimmt dabei den norwegischen Behörden darin zu, dass die allgemeine Förderung des Norwegen-Tourismus keine wirtschaftliche Tätigkeit ist. Hierzu gehörten das allgemeine Marketing für das Land und die Bewerbung allgemeiner Inhalte wie Informationen zum Nordlicht, dem Wetter oder geographischen Merkmalen. Die Zurverfügungstellung spezifischer touristischer Inhalte, d.h. die Bewerbung touristischer Unternehmen wie Hotels, Restaurants, etc. sei dagegen aber als wirtschaftliche Tätigkeit zu qualifizieren. Auf das dahinterliegende Ziel der Wirtschaftsförderung käme es insoweit nicht an. Die fraglichen Tätigkeiten würden auch von privaten Anbietern, wie z.B. dem Beschwerdeführer, am Markt gegen Entgelt angeboten, so dass einem Wettbewerb unterliegende Dienstleistungen anzunehmen seien. Die Einordnung als wirtschaftliche Leistung gelte daher auch dann, wenn die IN die fraglichen Leistungen nicht als eigenständige Dienstleistung erbringe, sondern diese nur den regionalen Tourismusverbänden und die Destinationsmanagementorganisationen anbiete.

Das Argument, dass die Internetinfrastrukturleistungen und die damit zusammenhängenden Dienstleistungen untrennbar mit der nicht-wirtschaftlichen Tätigkeit der IN oder aber der regionalen und lokalen Tourismusorganisationen verbunden seien und daher an dem Charakter dieser Tätigkeiten partizipiere, weist die Überwachungsbehörde zurück. Zum einen nutzten die RTV und DMO die fraglichen IT-Leistungen auch für wirtschaftliche Tätigkeiten, da sie selbst nicht nur allgemeine Tourismuswerbung sondern auch Werbung für spezifische touristische Aktivitäten betrieben. Die „FENIN“-Rechtsprechung des EuGH sei daher vorliegend nicht anwendbar. Zum anderen sei nicht erkennbar, dass die Internetinfrastrukturleistungen und die damit zusammenhängenden Dienstleistungen zur Förderung des Norwegen-Tourismus erforderlich und von dieser Tätigkeit nicht abtrennbar seien. Die IN sei daher im Hinblick auf diese Tätigkeiten als Unternehmen im Sinne des Beihilfenbegriffs anzusehen.

Objektive und transparente Kostenzuordnung sowie getrennte Buchführung

Für die mögliche beihilferelevante Begünstigung der IN prüft die Überwachungsbehörde insbesondere, ob die IN ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten mit den für die nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten erhaltenen öffentlichen Mitteln quersubventioniert hat. Dabei hebt sie hervor, eine Quersubventionierung durch zweierlei Maßnahmen zu vermeiden sei: Zum einen sollte ein geeignetes Kostenrechnungssystem vorhanden sein, das objektive und transparente Mechanismen zur Zuordnung der mit den wirtschaftlichen und den nicht-wirtschaftlichen Tätigkeiten verbundenen Kosten und Erlöse vorsehe. Zum anderen sollten die internen Konten eine Ausweisung der Kosten und Erlöse entsprechend der unterschiedlichen Dienstleistungen ermöglichen.

Beide Anforderungen hält die Überwachungsbehörde bei der IN für gegeben. Dies auch, obwohl die IN sich erst während des Prüfverfahrens zur formalen Trennung seiner Buchführung verpflichtete und diese erst ab dem Jahr 2014 wirksam wurde. Denn die IN erstellte bereits vorher für jedes ihrer Teilprojekte – so auch für visitnorway.com – Teilabschlüsse und führte Projektkonten mit Unterkonten. Den Unterkonten für visitnorway.com waren insoweit klar und getrennt nach wirtschaftlicher und nicht-wirtschaftlicher Tätigkeit die Kosten und Erlöse für die einzelnen Dienstleistungen zu entnehmen. Da es keine Anhaltspunkte für ein fehlerhaftes Ausweisen gab, akzeptierte die Überwachungsbehörde das angesichts der tatsächlichen hinreichend genauen Kostentrennung der wirtschaftlichen und nicht-wirtschaftlichen Dienstleistungen die fehlende formale Trennung der Buchführung nicht schade und keine rechtswidrige Quersubventionierung festzustellen sei.

Da die IN auch nachweisen konnte, dass sie bei Erbringung ihrer wirtschaftlichen Dienstleistungen von den regionalen und lokalen Tourismuseinrichtungen einen angemessenen Gewinn verlangt, griff auch der Vorwurf des Beschwerdeführers nicht durch, dass sich die IN nicht wie ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber verhalte. Die Überwachungsbehörde stellte daher weder auf Seiten der IN noch der Tourismuseinrichtungen wirtschaftlichen Vorteil fest.

Diesen Beitrag schrieb Rechtsanwältin Julia Lipinsky während ihrer Zeit bei Müller-Wrede & Partner

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