Der 2. Entwurf der AGVO – Land in Sicht für Seehäfen?

Die Kommission hat in der vergangenen Woche mit der zweiten Konsultation des überarbeiteten Entwurfs der AGVO begonnen. Bis zum 8. Dezember 2016 haben alle interessierten Parteien erneut die Möglichkeit, insbesondere zu den Vorschlägen der Kommission zu der geplanten Freistellung von Investitionsbeihilfen für Flughäfen und Häfen Stellung zu nehmen. In diesem Beitrag geht es um die Vorschläge der Kommission zu den Seehäfen.

Was gibt es Neues für die Seehäfen in der 2. Konsultationsrunde?

Diese Frage lässt sich kurz und knapp beantworten: nicht viel. Eine gewisse Flexibilisierung zeigt die Kommission mit einer Vereinfachung für geringe Investitionen unter 5 Mio. € und die staatliche Finanzierung sehr kleiner Seehäfen. Freigestellte Maßnahmen betreffen für alle Seehäfen nun neben dem Bau und der Modernisierung auch Ersatzinvestitionen – ein Punkt auf den Deutschland in seiner Stellungnahme vom 23. Mai 2016 hingewiesen hatte.

Außerdem ist der Hinweis auf die Einhaltung der Vergabevorschriften im Zusammenhang mit der Erteilung von Konzessionen und Aufträgen entfallen. Auch hinsichtlich der Laufzeit der Konzessionsverträge hat die Kommission eingelenkt. Im Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion zum Port Package durchaus ein politisch brisantes Thema.

Klargestellt hat die Kommission entgegen dem Vorschlag Deutschlands, dass Investitionen für Suprastrukturen insgesamt nicht beihilfefähig sind (Art. 56b Abs. 3). Das betrifft alle Oberflächeneinrichtungen wie z.B. Hafenterminal, Lagerhallen, insbesondere auch für den Umschlag von Gütern benötigte Geräte wie Verladekrane und Rampen. Also Ausrüstungen, die in direktem Zusammenhang mit der Verkehrsfunktion des Hafens stehen. Damit müssen die Hafenumschläger nun also Investitionen und Betrieb der Hafensuprastruktur aus eigener Tasche finanzieren.

Kein vorgezogenes Weihnachtsfest für deutsche Wünsche

Irgendwie erinnert mich die Konsultation zur AGVO an den Weihnachtswunschzettel meiner Kinder, die alle Jahre wieder das Schicksal ereilt, dass nicht alle Päckchen wunschgemäß unterm Weihnachtsbaum liegen. Auch für Deutschland werden wohl im Bereich der Seehäfen nicht alle Wünsche in Erfüllung gehen.

Insbesondere bleiben die von der Kommission für die Beihilfehöchstintensitäten aufgeworfenen Schwellen bislang unverändert: Beihilfen für Investitionen bis zu 20 Mio. € bleiben zu 100% freigestellt. Zwischen 20 und 50 Mio. € sind es 80 %, zwischen 50 und 100 Mio. € noch 50%. Letzteres gilt auch für Projekte in TEN-V-Kernnetzkorridoren bis zu 120 Mio. € (Art. 56b Abs. 5 a-d). Alle staatlichen Mittel, die diese Schwellen übersteigen, möchte die Kommission weiterhin einzeln prüfen.

Der vorliegende Entwurf der AGVO zeigt weiter, dass die Kommission auf ein wichtiges Anliegen insbesondere der deutschen Küstenländer nicht eingegangen ist. So hat sich der bereits im ersten Entwurf enthaltene Differenzierungsansatz zwischen Zugangs- und Unterhaltungsbaggerung nicht geändert. Investitionen in Form von Ausbaggerungen im Bereich der Zugangsinfrastruktur bleiben beihilfefähig, während die Unterhaltungsbaggerung ausgenommen ist. Deutschland hatte in der Stellungnahme vom 23. Mai 2016 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Ausschluss der Finanzierung von Unterhaltungsbaggerung von der Freistellung insbesondere Häfen benachteilige, die aufgrund natürlicher Gegebenheiten (z.B. Tide, Sedimentation) bereits besondere Wettbewerbsnachteile zu tragen haben, gegenüber solchen Häfen, bei denen aufgrund natürlicher Gegebenheiten eine Unterhaltungsbaggerung nicht erforderlich sei. Vor diesem Hintergrund wurde eine Gleichstellung der Baggerarbeiten gefordert, die von der Kommission jedoch nicht berücksichtigt wurde.

Für den Bereich der Zugangsinfrastruktur wünschte sich Deutschland dahingehend mehr Klarheit von Seiten der Kommission dahingehend, dass neben der beihilferelevanten Finanzierung von Zugangsinfrastrukturen dennoch einzelne staatliche Maßnahmen für Zugangsinfrastrukturen in Häfen nicht den Tatbestand einer Beihilfe erfüllen. Auch auf diesen Punkt ist die Kommission nicht eingegangen.

Abgrenzung wirtschaftlicher und nicht-wirtschaftlicher Tätigkeit

Die Forderung von deutscher Seite nach einer klaren Differenzierung zwischen einer beihilferelevanten und beihilfefreien Förderung ist nicht nur im Bereich der Zugangsinfrastrukturen von Seehäfen absolut nachvollziehbar. Dahinter verbirgt sich die beihilferelevante Abgrenzung zwischen wirtschaftlicher und nicht-wirtschaftlicher/hoheitlicher Tätigkeit bzw. Nutzung einer Infrastruktur. Die Kommission wirft derartige Abgrenzungsfragen in ihren Beschlüssen gern auf, neigt aber auch dazu, die Beantwortung der Frage, vor dem Hintergrund der Genehmigungsfähigkeit der Maßnahme insgesamt, im Ergebnis offen zu lassen.

Die Frage der Abgrenzung stellt sich aktuell nicht nur im Zusammenhang mit Seehäfen. Auch bei Flughäfen oder der Ansiedlung von Gewerbegebieten muss zwischen wirtschaftlicher und nicht-wirtschaftlicher/hoheitlicher Tätigkeit differenziert werden. Daher wäre eine Klärung der Abgrenzungsfragen nicht nur für Zugangsinfrastrukturen im Seehafenbereich auch außerhalb der AGVO sicherlich hilfreich.

Wie schwierige das tatsächlich ist, zeigt der Ansatz der Kommission in der Notion of  Aid. Dort hat sich die Kommission daran versucht, den Mitgliedstaaten, mit allgemeinen und bezogen auf einzelne Bereiche konkreteren Angaben, Ansätze zur Abgrenzung wirtschaftlicher und nicht-wirtschaftlicher Tätigkeiten zu vermitteln.

Sie geht dabei von dem Grundsatz aus, dass die Finanzierung einer Infrastruktur beihilferelevant sei, soweit diese wirtschaftlich betrieben werde. Gleiches muss dann wohl auch für die Zugangsinfrastruktur gelten, soweit diese mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit untrennbar verbunden ist, insbesondere im Fall einer gewidmeten Infrastruktur.

Handelt es sich um eine hoheitlich genutzte Infrastruktur, unterfällt eine staatliche Finanzierung nicht dem Beihilfenrecht. Im Fall einer allgemeinen Infrastruktur liegt keine Beihilferelevanz vor, wenn allen interessierten Nutzern ein diskriminierungsfreier Zugang ermöglicht wird. Die Kommission nennt in der Bekanntmachung zum Beihilfenbegriff in diesem Zusammenhang die zur öffentlichen Nutzung bereit gestellten (unentgeltlichen) Straßen.

Diese – durchaus hilfreichen – Ansatzpunkte können jedoch häufig keine konkreten Lösungen im Einzelfall anbieten. Dazu sind die Sachverhalte und insbesondere auch die Regelungen in den einzelnen Mitgliedstaaten z.B. im Zusammenhang mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben zu unterschiedlich. Dies zeigt auch die umfassende Kasuistik der Kommission allein in dem Bereich der Seehäfen in den vergangenen zwei bis drei Jahren.

Mit diesen Abgrenzungsfragen hatte die Kommission sich auch in dem jüngst veröffentlichten Beschluss zum Offshore-Terminal Bremerhaven (OTB) zu befassen. Dort ging es bei der Finanzierung von Hochwasserschutz, dem Bau einer Ersatzreede und dem Straßenzugang des Terminals um dieses Thema. Die Kommission hat sich diesen Fragen konkret gestellt und diese auch beantwortet. Der Hochwasserschutz ist dabei eine hoheitliche Aufgabe, die Ersatzreede eine allgemein Infrastruktur, die nicht nur von Schiffen genutzt wird, die den Hafen in Bremerhaven ansteuern. Interessant ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Differenzierung innerhalb der Zugangsinfrastruktur. Im Rahmen dieses Verfahrens ging es um die Straßenanbindung des OTB. Ein Teil dieser Straßen steht dabei der Öffentlichkeit diskriminierungsfrei und kostenlos zur Verfügung. Diese Straßen werden nicht nur durch den Zufahrtsverkehr zum Hafen oder OTB genutzt und stellen daher eine allgemeine Infrastruktur dar. Demgegenüber wird jedoch die direkte Zubringerstraße zum Terminal ausschließlich von den Nutzern des OTB befahren und ist daher als gewidmete Infrastruktur anzusehen. Diesen Teil der Finanzierung stufte die Kommission daher als Beihilfe ein, die sie – wie auch die übrigen Kosten dieses Projekt – auf Grundlage von Art. 107 Abs. 3 lit c AEUV als mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärte.

Das sind hilfreiche Entscheidungen der Kommission, die auch als Vorlage für eine Differenzierung in vergleichbaren Fällen nutzbar ist. Diese bringen für die Praxis auch über die Seehafeninfrastruktur hinaus Ansatzpunkte für andere Infrastrukturen. Bitte mehr davon!

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