Compliance im Beihilfenrecht

Bereits seit der Einführung der IDW Standards PS 700 im Jahr 2012 lag es irgendwie in der Luft, dass das Thema Compliance auch das Beihilfenrecht erreichen würde. Seither waren insbesondere öffentliche Unternehmen offiziell gehalten, staatliche Unterstützungen beihilferechtlich zu bewerten, um die daraus resultierenden Risiken im Jahresabschluss abzubilden. Die betroffenen Unternehmen begannen also nach und nach sich mit dem Thema Compliance zu beschäftigen. Aktuell hat jetzt aber die in 2014 in Kraft getretene Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) die Entwicklung von Compliance im Beihilfenrecht auf Seiten der Beihilfengeber vorangetrieben. Mit der AGVO ist den Mitgliedstaaten mehr Verantwortung in der Beihilfenkontrolle übertragen worden. Um dieser Verantwortung bestehend aus Transparenz- und Kontrollpflichten gerecht zu werden, hat nun das zuständige Referat des Bundeswirtschaftsministerium (BMWi–EA 6) Nägel mit Köpfen gemacht und ein Compliance Management System im Beihilfenrecht entwickelt.

Compliance Management System (CMS)

Im Dezember 2015 hat das BMWi–EA6 Handlungsempfehlungen für alle öffentlichen Stellen, die mit beihilferechtlichen Fragen befasst sind, veröffentlicht. Diese sind Bestandteil des neuen Compliance Management Systems, kurz CMS. Zu diesem System gehören drei weitere Elemente: das neue Beihilfen-Handbuch, der neue Beihilfen-Leitfaden inklusive Beihilfen-Selbsttest und die Ernennung eines State Aid Compliance Officers. Letzteren wird das BMWi-EA 6 in Kürze als Ansprechpartner für Bund, Länder, Kommunen u.a. nach dem Grundsatz „tone at the top“ einsetzen.

Das CMS zielt darauf ab, das Verständnis bei den verantwortlichen öffentlichen Stellen für beihilferechtliche Fragen zu wecken. Gleichzeitig bildet es einen Orientierungsrahmen für die beihilferechtliche Entscheidungspraxis um folgenschwere Rechtsverstöße, die zu komplexen Beihilferückforderungsprozessen führen können zukünftig zu verhindern.

Vorgaben für die Compliance

Die Empfehlung für die Umsetzung des europäischen Beihilfenrechts enthält eine Art road map für die Ausgestaltung staatlicher Maßnahme. Zunächst soll im ersten Schritt grundsätzlich versucht werden, Maßnahmen beihilfenfrei zu gestalten. Kann dies nicht erreicht werden, wird auf die Möglichkeit von De-minimis-Beihilfen und den Anwendungsbereich der AGVO, sowie den DawI-Beschluss verwiesen. Gelingt dabei der rechtssichere Ausschluss einer Beihilfe nicht, ist die betroffene Maßnahme auf Grundlage der bestehenden Rechtstexte der Kommission zu notifizieren.

Das neue Beihilfenhandbuch beinhaltet einen Überblick über den aktuellen Stand der Beihilfenvorschriften nach der Modernisierung des EU-Beihilfenrechts in den Jahren 2012-2014. Dem Ansatz aus der o.g. Empfehlung zur Umsetzung des europäischen Beihilfenrechts folgend, werden in der grundlegenden Einführung die Systematik der staatlichen Beihilfen erläutert und einem zweiten Teil konkrete Lösungsvorschläge für den Umgang mit Beihilfen unterbreitet.

Ausblick

Kurzfristiges Ziel des CMS ist es, Compliance im Beihilfenrecht als systematische Herangehensweise zu verstehen, zu akzeptieren, zu implementieren und zu leben. Mittelfristiges Ziel ist es „von Compliance zu Integrity“ zu kommen.

Den Fokus der öffentlichen Hand auf das Beihilfenrecht zu verstärken, war längst überfällig und die ausführliche und übersichtliche Darstellung in dem neuen Handbuch zum Beihilfenrecht daher der richtige Ansatz. Fraglich erscheint dennoch, ob das CMS tatsächlich geeignet ist, die komplexe Materie des Beihilfenrechts den Betroffenen näher zu bringen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund der sich stetig weiterentwickelnden Entscheidungspraxis der Europäischen Gerichte und der Kommission. Gerade auf kommunaler Ebene ist außerdem nach wie vor der Ansatz weit verbreitet, dass geplante Maßnahmen ausschließlich eine lokale Ausrichtung haben und daher „von Brüssel nicht zu prüfen seien“. Daher ist auch der empfohlene Ansatz des BMWi-EA6 zu begrüßen, auf beihilferechtliche Fortbildungsveranstaltungen zu verweisen, um die Beihilfeempfindlichkeit der Akteure zu wecken, ohne jedoch wichtige Entscheidungsprozesse zu lähmen.

Zu Vermeidung zeitaufwändiger rechtlicher Untersuchungen im Rahmen von Prüfverfahren der Kommission empfiehlt es sich dennoch auch auf Seiten des Beihilfenempfängers weiterhin, bereits eigenständig präventiv und frühzeitig beihilferelevante Sachverhalte zu prüfen. Dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund drohender Konkurrentenklagen vor nationalen Gerichten. Denn nach wie vor gilt der Grundsatz, dass sich der Empfänger einer Beihilfe über deren Rechtmäßigkeit selbst zu informieren hat und sein Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit einer Beihilfe nicht geschützt ist.

Schreibe einen Kommentar