Beihilferechtliche Bewertung des Vorschlags eines Transformationsfonds

Der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) hat in einem Sondergutachten zur deutschen G20-Präsidentschaft 2017 die Einrichtung eines nationalen Transformationsfonds empfohlen. Dieser staatliche Fonds soll gezielt in Schlüsselindustrien investieren, um die Dekarbonisierung zu beschleunigen und die CO2-Abhängigkeit zu überwinden. Die erworbenen Anteilsrechte sollen von dem Fonds mit dem Ziel genutzt werden, Nachhaltigkeitsaspekte bei Unternehmensentscheidungen durchzusetzen. Finanziert werden soll der Transformationsfonds aus Nachlasssteuern und 30% der Einnahmen aus CO2-Steuer und Emissionshandel. Es wird ein Fondsvolumen von 24 Mrd. € im Jahr 2020 angestrebt, das bis 2050 auf 780 Mrd. € anwachsen soll. Der Transformationsfonds soll durch Projektförderungen und bilaterale Klimakooperationen mit Entwicklungsländern ergänzt werden, die ebenfalls in vergleichbarer Höhe aus CO2-Steuer und Emissionshandel finanziert werden sollen. Die Erträge des Transformationsfonds sollen zur sozial- und strukturpolitischen Flankierung des Transformationsprozesses genutzt werden.

In einem vom WBGU und dem Institute for Advanced Sustainability Studies e.V. (IASS) am 12.06.2018 veranstalteten Workshop zum Transformationsfonds wurde auch die beihilferechtliche Einordnung abgefragt.

Kernthese meines beihilferechtlichen Beitrags ist: Der Transformationsfonds sollte nicht national sondern EU-weit aufgelegt werden. Der Umstand, dass ein Transformationsfonds, dessen Entscheidungen einem Unionsgremium zuzurechnen wären, nicht der EU-Beihilfenkontrolle unterliegt, wäre dabei aber nur ein willkommener Nebenaspekt. Entscheidend wäre der Impuls für das daniederliegende EU-Emissionshandelssystem (ETS). Eine Reform des ETS, die zu Erlösen aus Treibhausgasemissionszertifikaten in Deutschland in einer Größenordnung führen würde, wie sie dem WBGU auf nationaler Ebene vorschwebt, würde die angestrebte CO2-Reduzierung in ganz Europa deutlich befördern. Käme hinzu, dass mit einem Teil der Erlöse (z.B. wie vom WBGU vorgeschlagen: 30 %) ein Europäischer Transformationsfonds finanziert wird, entstünde ein klimapolitisches Finanzierungsinstrument mit einer enormen integrativen Wirkung. Ein deutscher Fonds dagegen, der statt in Deutschland beispielsweise in Italien eine Beteiligung erwirbt und dort die Schließung einer umweltbelastenden Produktion betreibt, hätte wohl trotz gut gemeinter Transformationsbestrebungen eine politisch verheerende Wirkung.

Aber abseits alles Wunschdenkens über ein gemeinsames Handeln in Europa: jede Finanzierung eines nationalen Transformationsfonds aus einer CO2-Steuer würde vor allen beihilferechtlichen Erwägungen mit dem ETS so harmonisiert werden müssen, dass sie die Billigung der Europäischen Kommission erfährt (Art. 24 RL 2003/87).

Beihilferechtlich stellt sich die Frage, ob ein nationaler Transformationsfonds, der zudem zusätzlich zu einer Projektförderung in vergleichbarer Größenordnung aufgelegt werden soll, nicht auf die Gewährung von Beihilfen verzichten kann und den Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers strikt befolgen sollte. Dagegen spricht aber die gewünschte Fokussierung auf den Transformationsprozess. Die Notwendigkeit eines positiven Ergebnisses bei der ex-ante-Rentabilitätsprüfung im Einzelfall würde den Handlungsspielrum deutlich beschränken. Ohne die strikte Ausrichtung auf eine Mindestrendite stünde dem Fonds ein breiteres Anlagespektrum zur Verfügung. Eine Beteiligung an nicht-rentablen Unternehmen, z.B. an gemeinnützigen Unternehmen oder an Unternehmen, bei denen der ex ante Nachweis der angemessenen Rentabilität regelmäßig kaum seriös möglich ist, z.B. bei Start-ups oder KMU, könnte den Transformationsprozess beschleunigen. Auch könnten Finanzierungslücken beim Zielunternehmen mithilfe eines Agios auf die Beteiligung leichter geschlossen werden als bei einer beihilfefreien pari passu Beteiligung des nationalen Transformationsfonds.

Der Verzicht auf eine strenge Rentabilitätsprüfung als Beteiligungsvoraussetzung hätte bekanntlich zur Folge, dass eine Beihilfe im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden kann und mangels Freistellungstatbestand eine Richtlinie für das Eingehen von Beteiligungen erarbeitet und der EU-Kommission als Beihilferegelung notifiziert werden müsste. In dem Notifizierungsverfahren würden dann die richtigen Fragen gestellt:

  1. Dient der Transformationsfonds einem Ziel von gemeinsamem Interesse? Das könnte er zweifellos, allerdings klarer definiert werden, ob mit dem Transformationsfonds Klimaziele oder eher allgemein Nachhaltigkeitsziele verfolgt werden.
  2. Ist die Intervention des Transformationsfonds erforderlich oder bestehen andere Maßnahmen/Strategien zur Verwirklichung der Ziele? Beeinträchtigt der Fonds die Wirksamkeit der anderen Maßnahmen/Strategien? Die (bislang nicht überzeugend nachgewiesene) Wirksamkeit des ETS darf nicht beeinträchtigt werden. Der Fonds müsste grundsätzlich „technologieneutral“ aufgestellt sein. Dieses Merkmal ist jedoch einschränkend dahingehend auszulegen, dass nur Technologien in Betracht gezogen werden, die im Hinblick auf die 17 SDGs als vergleichbar zu bewerten sind.
  3. Ist der Transformationsfonds das geeignete Instrument für die Verwirklichung des Ziels von gemeinsamem Interesse? Sind Regulierungsmaßnahmen, marktbasierte Instrumente oder „weiche Instrumente“ nicht geeignet? Der Transformationsfonds ergänzt die Projektförderung und die bilateralen Klimakooperationen mit Entwicklungsländern. Es handelt sich daher nicht um das geeignetste Instrument, sondern um ein Instrument in einem Bündel notwendiger Maßnahmen. Regulatorische Maßnahmen sind, wie die Automobilindustrie beweist, unbedingt erforderlich, aber keineswegs ausreichend. Die Formulierung unverbindlicher Ziele, die auf eine freiwillige Verhaltensänderung abzielt, hatte bislang leider nicht den gewünschten Erfolg
  4. Führt die Beteiligung dazu, dass die betreffenden Unternehmen ihr Verhalten ändern und zusätzliche Tätigkeiten aufnehmen, die sie sonst nicht, nur in geringerem Umfang oder auf andere Weise ausüben würden? Ein Anreiz setzt die Beteiligung wohl nur, wenn dem Zielunternehmen dadurch zusätzliches Kapital zur Verfügung steht, dass am Kapitalmarkt zu vergleichbaren Bedingungen nicht erlangt werden kann. Gleichzeitig werden Maßnahmen, die das Unternehmen im Hinblick auf die Klimaziele zu ergreifen hat, in einem Beteiligungsvertrag definiert und festgeschrieben werden müssen.
  5. Ist die Förderung der betreffenden Unternehmen auf das erforderliche Minimum beschränkt? Um diesem Punkt gerecht zu werden, ist eine Beteiligungsführung einzurichten, die dafür Sorge trägt, dass das zusätzliche Kapital tatsächlich zur Verfolgung der Klimaziele eingesetzt wird, in dem nur die Mehrkosten dieser Unternehmenspolitik gedeckt werden.
  6. Können die negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb und den Handel zwischen Mitgliedstaaten begrenzt werden? Die schädlichen Auswirkungen könnten dadurch begrenzt werden, dass der nationale Transformationsfonds diskriminierungsfrei in der EU Beteiligungen eingeht. Die Vorteile eines EU-Transformationsfonds sind hier unübersehbar.
  7. Verstößt das Finanzierungssystem gegen das Unionsrecht? Sollte es gelingen, das vorgeschlagene Finanzierungssystem mit dem ETS zu harmonisieren, bliebe noch die deutschtypische Gefahr, dass ein Wust mehr oder weniger sachgerechter Ausnahmen von einer deutschen CO2-Steuer wiederum zu einer Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Branchen und damit zu einer neuen Beihilfe führt.

Im Ergebnis scheint es nicht ausgeschlossen, dass die Fragen zur Zufriedenheit der Kommission beantwortet werden können und auch ein nationaler Transformationsfonds mit dem Binnenmarkt vereinbar ausgestaltet werden kann. Der Wunsch des WBGU, dass aus den Erträgen des Transformationsfonds die Projekte finanziert werden können, die den sozialen und wirtschaftlichen Verwerfungen des Transformationsprozesses entgegenwirken. wirkt etwas blauäugig. Hierfür werden wohl deutlich größere Beträge nötig sein, sollten die Klimaziele endlich ernsthaft verfolgt werden. Die Debatte um einen deutschen Transformationsfonds könnte jedenfalls der notwendige Anstoß sein, die deutschen Vorbehalte gegen das ETS zu überdenken und dessen Revitalisierung in Angriff zu nehmen.

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