Beihilfen für Liegeplatz 4 in Cuxhaven

Die Kommission hatte bereits am 11.2. diesen Jahres erneut eine staatliche Beihilfe im Seehafensektor genehmigt. Dieses Mal betrifft es den Hafen in Cuxhaven und den dort geplanten Liegeplatz 4 sowie eine weitere logistische Infrastruktur (Staatliche Beihilfe SA.41927). Eingebettet ist dieser – in der vergangenen Woche veröffentlichte – Beschluss in die aktuelle Entwicklung der Beihilfenkontrolle im Infrastrukturbereich.

Zunächst erreichte dieser Entwicklungsprozess andere wirtschaftlich betriebene Infrastrukturen, wie Flughäfen und Multifunktionsarenen. Als Ausgangspunkt gilt dabei das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rs. Aéroports de Paris aus dem Jahr 2002. Auf dieses nahm die Kommission bereits 2009 im Hafensektor im Beihilfeverfahren Ventspils (C 39/2009) Bezug, in dem sie u.a. die Vertiefung des Hafenbeckens im Ergebnis als wirtschaftliche Tätigkeit und mithin als Beihilfe ansah. Die Ausdehnung auf sämtliche wirtschaftlich genutzte Infrastrukturen, verbunden mit dem Prüfungsansatz, dass bereits die Errichtung einer Infrastruktur beihilferelevant ist, sofern diese mit dem späteren, wirtschaftlichen Betrieb untrennbar verbunden ist, geht auf die sehr grundsätzlichen und vom Gerichtshof im Jahr 2012 bestätigten Ausführungen des Europäischen Gerichts in der Rs. Flughafen Halle/Leipzig zurück. Den Beihilfeprüfungen bei Infrastrukturen gemeinsam ist dabei der Mehrebenenansatz, den die Kommission bereits im Jahr 1998 in dem Verfahren InfraLeuna verwendete. Auch in ihrem aktuellen Beschluss untersucht die Kommission daher das Vorliegen einer Begünstigung sowohl auf der Ebene des Betreibers als auch im Verhältnis zum wirtschaftlich tätigen Eigentümer.

Das geplante Projekt

Der multifunktionale Seehafen der Stadt Cuxhaven liegt an der Mündung der Elbe in die Nordsee. Die meisten, die jemals nach Helgoland gefahren sind, dürften diesen Hafen kennen. Mit einem jährlichen Umschlag von 2,6 Mio. t in 2015 (Im Vergleich: Hafen Hamburg 138 Mio. t in 2015; die Bremischen Häfen 78 Mio. t in 2014) ist Cuxhaven eher von regionaler Bedeutung. Dennoch sollen erwartete Marktzuwächse mit dem Bau eines multifunktionalen Terminals an Liegeplatz 4 aufgefangen werden. Weitere positive Entwicklungen in Cuxhaven zeichnen sich im Übrigen gerade durch die in Planung befindliche Ansiedlung von Siemens im Offshore-Bereich ab.

Konkret geplant ist jetzt jedoch erst einmal ein Investitionsprojekt iHv. 36 Mio. €, dass das Land Niedersachsen mit einem Zuschuss iHv. 21 Mio. € unterstützt. Der Restbetrag wird durch ein Darlehen der Niedersachsen Ports GmbH & Co. KG (NPorts) zu marktüblichen Bedingungen finanziert.

Die beihilferechtliche Prüfung

Im Rahmen des Beihilfeverfahrens prüft die Kommission die beihilferelevante Begünstigung der NPorts, die sowohl Eigentümerin als auch Betreiberin u.a. des Hafens in Cuxhaven ist. Die NPorts steht im alleinigen Eigentum des Landes Niedersachsens. Das Land ist sowohl Kommanditist als auch Alleingesellschafter der Komplementär-GmbH. Im Ergebnis stellt die Kommission wenig überraschend fest, dass der Liegeplatz 4 und die logistische Infrastruktur vom Hafen Cuxhaven wirtschaftlich genutzt werden. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung zum Flughafen Halle-Leipzig ist damit auch bereits der Bau einer Infrastruktur als wirtschaftliche Betätigung anzusehen.

Niedersachsen gelingt auf Ebene des Betreibers durch eine geschickte Kombination von transparentem Ausschreibungsverfahren und dem Versprechen, die ermittelte Konzessionsgebühr anschließend in einem Benchmarking mit den Gebühren in anderen Häfen zu vergleichen, der Ausschluss einer Begünstigung. Geschickt deshalb, da der Kommissionspraxis bislang keine klare Linie zu entnehmen ist, ob die Ermittlung des Betreibers im Rahmen eines Vergabeverfahrens, verbunden mit der Zuschlagserteilung an den besten Bieter, automatisch auch eine Begünstigung ausschließt. Dies gelingt hier jedoch durch die Verknüpfung mit dem Benchmarking.

Ein Ansatz, der auch auf andere Infrastrukturbereiche übertragbar erscheint.

Zur Routine ist es nunmehr nach über 30 Beschlüssen der Kommission im Seehafensektor geworden, die Vereinbarkeit der Beihilfen auf Grundlage des Art. 107 Abs. 3 lit c AEUV zu überprüfen. Da auch Cuxhaven ein Teil des europäischen Gesamtnetzwerks nach der Verordnung (EU) Nr. 1315/2013 ist, war die Voraussetzung, dass die Maßnahme einem Ziel von gemeinsamem Interesse gelten muss, schnell belegt. Auch erforderlich, angemessen sowie verhältnismäßig sind die staatlichen Mittel. Der Anreizeffekt ist ebenfalls erfüllt, da der Antrag auf Beihilfe erst nach Projektbeginn gestellt wurde und im Übrigen auch ohne staatliche Mittel das ganze Projekt nicht durchgeführt werden würde. Wettbewerbsverfälschung und Handelsbeeinträchtigung halten sich – nicht zuletzt aufgrund der Größe des Hafens – im Rahmen und sind daher hinnehmbar. Nach dieser klar strukturierten Prüfung hatte die Kommission keinerlei Bedenken, die Beihilfen zu genehmigen.

Wie geht es weiter mit Investitionsbeihilfen im Seehafenbereich?

Im Ergebnis zeigt dieser schlanke und strukturierte Beschluss, dass die Kommission in den vergangenen zwei Jahren eine stetige Praxis entwickelt hat, Beihilfen im Hafensektor zu prüfen und zu genehmigen. Den tatsächlichen und rechnerischen Aufwand, den dieser Beschluss jedoch tatsächlich gekostet haben dürfte, kennen nur die an dem Verfahren beteiligten Stellen und deren Berater. Er dürfte nicht unerheblich gewesen sein.

Zukünftig plant die Kommission durch die Erweiterung der AGVO, nunmehr Investitionsbeihilfen für Seehäfen von der Notifizierungspflicht freizustellen. Dies nicht zuletzt, um die verfahrensrechtliche Durchführung zu beschleunigen. Die dafür notwendige Entscheidungspraxis dürfte sie in den vergangenen Jahren erlangt haben. Wie bereits für Sportstätten und Multifunktionsarenen schlägt die Kommission in der Konsultation zur aktuellen AGVO Schwellengrenzen vor, bis zu denen eine Freistellung erfolgt. Die Beihilfehöchstintensität hängt dabei von der Höhe der beihilfefähigen Kosten ab: bei beihilfefähigen Kosten bis zu 20 Mio. € möchte sie 100% freistellen. Liegen die beihilfefähigen Kosten zwischen 20 und 50 Mio. € könnten 80% und bei über 50 Mio. € 50% freigestellt werden. Für beihilfefähige Kosten bis zu 120 Mio. € für Seehäfen, die in den Arbeitsplan für einen Kernnetzkorridor im Sinne des Artikels 47 der Verordnung (EU) Nr. 1315/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates eingeschlossen sind, schlägt die Kommission ebenfalls 50 % der beihilfefähigen Kosten für eine Freistellung vor.

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des obigen Kommissionsbeschlusses zu dem Hafen Cuxhaven stellt sich jedoch die Frage, inwieweit die von der Kommission vorgeschlagenen Schwellenwerte in der Praxis tatsächlich Erleichterung bringen. Die Beschränkung der 100% auf Vorhaben bis zu 20 Mio. € Beihilfenintensität scheint vielmehr zu niedrig gewählt. Investitionen dieser Größenordnung im Hafensektor erfordern regelmäßig Beihilfeintensitäten von über 80 %. Vor dem Hintergrund, dass die Kommission darauf abzielt, nur noch 10 % der Beihilfen im Seehafenbereich in Notifizierungsverfahren zu genehmigen, erscheint es daher überlegenswert auch bei Projekten mit beihilfefähigen Kosten von bis zu 50 Mio. € eine Beihilfenintensität von 100 % zu zulassen. Die Beschlusspraxis zeigt, dass auch für Infrastrukturmaßnahmen über 120 Mio. € im Seehafenbereich bei einer Betrachtung eines Zeitraums von drei Jahren schnell erreicht wird.

Nach Abschluss der Konsultation Ende Mai wird sich zeigen, inwieweit sich die Kommission entsprechenden Bemerkungen und Vorschlägen öffnet oder ob die Aufnahme der Freistellung für Investitionsbeihilfen im Hafensektor in die AGVO nur ein beihilferechtliches Feigenblatt wird.

Diesen Beitrag verfasste Rechtsanwältin Gabriele Quardt in ihrer Zeit bei Müller-Wrede & Partner

Schreibe einen Kommentar