Beachtung von Formvorschriften bei der Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens durch die EU-Kommission – Fazit der Milchgüteprüfung

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom 10. März 2022 das erstinstanzliche Urteil des Gerichts im Zusammenhang mit der Finanzierung der Milchgüteprüfung im Freistaat Bayern bestätigt und dabei Vorgaben für die wesentlichen Formvorschriften für die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens festgelegt.

Inhaltlich ging es in dem seit 2013 andauernden Verfahren um die Frage, ob die Prüfungen der Milchgüte, die in Deutschland durch unabhängige Prüfer erfolgt, im Freistaat Bayern durch eine staatliche Beihilfe iSd. Art. 107 Abs. 1 AEUV finanziert wird. Diese Milchgüteprüfungen werden dabei zum einen aus einer bei den Milchabnehmern erhobenen Umlage und zum anderen aus Mitteln des Landeshaushalts des Freistaats Bayern finanziert. Im Jahr 2015 war die Kommission in ihrem Beschluss zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Finanzierung eine staatliche Beihilfe beinhaltet und erließ eine Rückforderungsanordnung gegen die Bundesrepublik Deutschland über insgesamt rund 40 Mio. EUR (Staatliche Beihilfe SA.35484 (2013/C) (ex SA.35484 (2012/NN)).

Im Rahmen der vom Freistaat und drei Verbänden der bayerischen Milchwirtschaft gegen den Kommissionbeschluss eingereichten Nichtigkeitsklagen (Rs. T-722/15 und T-724/15) kam zunächst das EuG zu dem Schluss, dass die Kommission bei der Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens wesentliche Verfahrensrechte des Freistaates und der Milchwirtschaft verletzt hatte. Insbesondere hatte die Kommission die Finanzierungsquelle und Rechtsgrundlage der Maßnahme nicht ausreichend dargelegt und hob den Beschluss der Kommission auf.

Diesem Ansatz ist in nun auch der EuGH in dem aktuellen Urteil gefolgt (Rs. C-167/19 P und C-171/19 P). Der Gerichtshof bestätigt damit, dass die Kommission bei der Eröffnung eines förmlichen Prüfverfahrens gem. Art. 6 Abs. 1 VO 659/99 verpflichtet ist, die Sach- und Rechtsfragen, die für die beihilferechtliche Prüfung wesentlich sind, zusammenzufassen. Die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens gibt allen Beteiligten – damit u.a. auch dem Beihilfengeber und dem Beihilfenempfänger – die Möglichkeit, eine Stellungnahme in dem Verfahren abzugeben und damit Einfluss auf den weiteren Verlauf des Verfahrens zu nehmen. Eine nur lückenhafte Darstellung der wesentlichen Sach- und Rechtsfragen schränkt diese Möglichkeit jedoch erheblich ein und ist nicht geeignet, die praktische Wirksamkeit des Art. 108 Abs. 2 AEUV zu gewährleisten. Entgegen dem Vorbringen der Kommission wird diesem wesentlichen Formerfordernis nicht bereits durch die bloße Eröffnung eines förmlichen Prüfverfahrens genüge getan. Vielmehr ist davon auch die inhaltliche Verpflichtung der Kommission umfasst, die Beteiligten durch die Veröffentlichung der wesentlichen Sach- und Rechtsfragen in die Lage zu versetzten, eine sachgerechte Stellungnahme in dem Verfahren abzugeben.

Zu der  Darstellung der für ein Verfahren wesentlichen Sach- und Rechtsfragen gehört auch die Finanzierungsart der fraglichen Maßnahme. Diese ist neben der Rechtsgrundlage einer Maßnahme insbesondere für die Frage, ob die Maßnahme aus staatlichen Mitteln gewährt wurde und damit als staatliche Beihilfe iSv. Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen ist, als wesentlich anzusehen. Im angefochtenen Beschluss hatte die Kommission die Rückforderung auch auf staatliche Mittel bzw. Finanzierungsarten erstreckt, die in dem Eröffnungsbeschluss nicht erwähnt waren. Hierin sah nun auch der EuGH eine wesentliche Verletzung von Art. 108 Abs. 2 AEUV und Art. 6 Abs. 1 VO 659/1999 und bestätigte damit das erstinstanzliche Urteil, mit dem der Rückforderungsbeschluss der Kommission für nichtig erklärt worden war und wies das Rechtsmittel der Kommission vollumfänglich zurück.

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