Verlängerung des Temporary Framework und Rekapitalisierung staatlicher Unternehmen

Bereits am 13. Oktober 2020 hat die EU-Kommission die nunmehr 4. Änderung des „Temporary Framework“ veröffentlicht. Inhaltlich geht es dabei insbesondere um die Verlängerung der Frist für die Anwendung sowie die Aufnahme weiterer Beihilfemaßnahmen in den Katalog des befristeten Rahmens.

Verlängerung der Geltungsdauer

Aufgrund des Fortdauerns der COVID-19 Pandemie und ihrer Folgen für die Wirtschaft hat die Kommission die Anwendung für alle Beihilfemaßnahmen des „Temporary Framework“ bis zum 30. Juni 2021 verlängert. Auf Grundlage der Neuerungen dürfen Rekapitalisierungsmaßnahmen – deren Gewährung ja bislang schon bis zum 30. Juni 2021 möglich war –  nunmehr sogar bis zum 30. September 2021 durchgeführt werden. Damit wird Mitgliedstaaten, die von diesem komplexen Instrument bislang noch keinen Gebrauch gemacht haben, der Ausbau von Rekapitalierungsregelungen in 2021 noch ermöglicht.

Rekapitalisierungsmaßnahmen

Bereits in der 3. Änderung des „Temporary Framework“ hatte die Kommission auf Drängen der Mitgliedstaaten das Instrument der Rekapitalisierung aufgenommen. Hintergrund war, dass Bürgschaften, Darlehen und Kleinbeihilfen in vielen Fällen nicht mehr ausreichten, den Lockdown-bedingten Eigenkapitalverzehr in einigen Branchen auszugleichen. Damit können Mitgliedstaaten nun als “ultima ratio“ Rekapitalisierungen durchführen und nachrangiges Fremdkapital gewähren. Für Deutschland hat die Kommission den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WFS) auf dieser Grundlage am 8.7.2020 genehmigt.

Bislang waren jedoch im „Temporary Framework“ nur die Voraussetzungen für staatliche Rekapitalisierungsmaßnahmen zugunsten privater Unternehmen geregelt und genehmigt worden, wie z.B. die staatlichen Maßnahmen zugunsten der Lufthansa. Insgesamt hat die Kommission bis Ende Oktober bereits 15 Maßnahmen genehmigt, bei denen es zumindest auch um Rekapitalisierungen ging. Diese Regelungen ließen sich bislang jedoch nicht ohne weiteres auf eine COVID-19 Rekapitalisierung von Unternehmen übertragen, an denen der Staat bereits vor Durchführung der COVID-19 Rekapitalisierung beteiligt war. Dies galt insbesondere für die Ausgestaltung des Ausstiegsszenarios des Staates aus den „staatlichen COVID-Shares“. Die nunmehr aufgenommene 4. Änderung des „Temporary Framework“ führt endlich zu mehr Klarheit in diesem Zusammenhang. Dies gilt sowohl für Unternehmen, die ausschließlich in staatlicher Hand sind als auch für den Fall, dass das begünstigte Unternehmen neben dem staatlichen auch private Gesellschafter hat:

Ausstieg für den Fall, dass der Staat der einzige bestehende Anteilseigner ist

Der „Ausstieg“ des Staates aus der Rekapitalisierung öffentlicher Unternehmen kann auch ohne einen Verkauf an einen Dritten unter folgenden Voraussetzungen „fingiert“ werden, wenn:

  • der Mitgliedstaat der einzige Anteilseigener des Unternehmens ist und
  • mindestens zwei Jahre seit Durchführung der Rekapitalisierung vergangen sind und
  • durch ein unabhängiges Sachverständigengutachten ein positiver Marktwert attestiert wird. Dabei erfolgt ein Wertvergleich vor und nach Durchführung der COVID-19 Eigenkapitalerhöhungsmaßnahmen.

Unterschreitet der durch die Bewertung festgestellte positive Marktwert jedoch den maßgeblichen Mindestpreis (Rn. 63 TF) für einen Rückkauf der Kapitalbeteiligung, so gelten die „Governance-Regelungen“ in Abschnitt 3.11.6 TF für weitere vier Jahre. Das bedeutet, der Beihilfenempfänger darf u.a. nicht mit der CORONA-bedingten staatlichen Beteiligung werben, ist bei dem Erwerb neuer Beteiligung beschränkt, darf keine Dividenden ausschütten und die Mitglieder der Geschäftsleitung dürfen neben der Grundvergütung keine variable Vergütung oder Boni erhalten.

Ausstieg für den Fall, dass der Staat einer von mehreren bestehenden Anteilseignern ist

  • Für den vom Mitgliedstaat bereits vor der COVID-19 Rekapitalisierung gehaltenen Kapitalanteil am Unternehmen, kann der „Exit“ unter den gleichen Bedingungen „fingiert“ werden, wie für den o.g. Fall, wenn der Mitgliedstaat alleiniger Anteilseigner wäre (Rn. 64 a TF).
  • Für den verbleibenden Teil des COVID-19 Eigenkapitals ist ein Rückkauf oder Verkauf der weiteren staatlichen Kapitalbeteiligungen an Dritte im Wege eines offenen, diskriminierungs- und bedingungsfreien Bietverfahrens oder über die Börse erforderlich.
  • Soweit der Staat einen erheblichen Teil seiner Kapitalbeteiligungen im Wege eines wettbewerblichen Verfahrens an Dritte verkauft, kann dieses Ergebnis als „Bewertung einer unabhängigen Einrichtung“ gleichgestellt werden.

Gewährung von Unterstützungsleistungen für ungedeckte Fixkosten

Um die Verschlechterung der Kapitalausstattung von Unternehmen zu verhindern und die Fortführung des Betriebs zu ermöglichen, wurden darüber hinaus Regelungen für die Gewährung von Unterstützungsleistungen für ungedeckte Fixkosten für Unternehmen eingeführt, deren Geschäftstätigkeit CORONA-bedingt ausgesetzt oder eingeschränkt werden musste. Voraussetzung für die Gewährung dieser Beihilfe ist, dass die Unternehmen im beihilfefähigen Zeitraum vom 1. März 2020 bis 30. Juni 2021 Umsatzeinbußen von mindestens 30% im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum erlitten haben. Nicht umfasst sind Unternehmen, die sich am 31. Dezember 2019 bereits in Schwierigkeiten im Sinne der AGVO befanden. Abweichend davon können für kleine und Kleinstunternehmen Beihilfen gewährt werden, sofern sie nicht Gegenstand eines Insolvenzverfahrens sind und bislang keine Rettungsbeihilfe erhalten haben.

Unter ungedeckten Fixkosten versteht die Kommission die Fixkosten, die einem Unternehmen während des beihilfefähigen Zeitraums entstanden sind und die im selben Zeitraum entstehen und nicht durch Gewinne oder anderen Quellen gedeckt sind. Beihilfen zur Deckung von ungedeckten Fixkosten dürfen maximal 70% des ungedeckten Anteils der Fixkosten betragen, für Kleinst-und Kleinunternehmen können sie bis auf 90% des ungedeckten Anteils der Fixkosten erhöht werden. Die Maximalhöhe darf jedoch je Unternehmen 3 Mio. Euro nicht übersteigen.

Verlängerung der vorübergehenden Streichung aller Länder aus dem Verzeichnis der Staaten mit marktfähigen Risiken im Exportverzeichnis

Zudem wurde es festgelegt, dass die vorübergehende Streichung aller Staaten im Anhang der Mitteilung über die kurzfristige Exportkreditversicherung bis zum 30 Juni 2021 verlängert wird.

Fazit

Mit den aktuellen Änderungen des Temporary Framework stellt die Kommissionen nun den Mitgliedstaaten ein neues Rezept aus, mit dem diese das Leiden ihrer kränkelnden Wirtschaft mildern können. Bislang hat die Kommission – Stand Ende Oktober 2020 – insgesamt für alle Mitgliedstaaten ein Budget iHv. rund 3.000 Milliarden € genehmigt. Deutschland steht dabei mit einem Betrag von rund 96 Milliarden an der Spitze aller Mitgliedstaaten.

Ein Ende des Finanzbedarfs aus staatlichen Mitteln ist nicht in Sicht. Dies insbesondere deshalb, da die Insolvenzantragspflicht zwar für den Fall der Überschuldung bereits Anfang Oktober erneut bis zum 31. Dezember 2020 ausgesetzt worden ist, eine weitere Verlängerung dieser Frist aus Gründen des Gläubigerschutzes derzeit aber kontrovers diskutiert wird. Das bedeutet, dass Deutschland die Insolvenzwelle noch vor sich herschiebt, für deren Abmilderung weitere Beihilfeinstrumente erforderlich werden dürften.

Spannend bleibt jedoch derzeit die Frage, inwieweit Deutschland eine Bundesregelung zur Rekapitalisierung öffentlicher Unternehmen erlassen wird oder den Anwendungsbereich des WSF für diese Unternehmen öffnet. Einige Unternehmen dürften dort jedenfalls schon in der Warteschlange stehen.

*Der Beitrag wurde zusammen mit Anna Lazarova während ihres Referendariats bei MWP verfasst.

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