Und was machen die anderen Mitgliedstaaten in der Corona-Krise?

Bis Ostern hatte die Kommission knapp 40 Beihilfeentscheidungen auf Grundlage des befristeten Beihilferahmens erlassen und damit die Grundlage für die Mitgliedstaaten gelegt, rund 50 Beihilferegelungen durchführen zu können. Daneben gibt es vier Beschlüsse der Kommission für die Genehmigung von Beihilferegelungen auf Grundlage von Art. 107 Abs. 2 lit b AEUV.

Das Spektrum der einzelnen Maßnahmen ist dabei sehr weit: Dänemark hat z.B. inzwischen drei Beihilferegelungen auf Grundlage von Art. 107 Abs. 2 lit b AEUV notifiziert. Diesen Weg haben die dänischen Behörden bereits ganz am Anfang der Corona Krise eingeschlagen und eine Beihilferegelung zugunsten von Veranstaltern, deren Veranstaltungen aufgrund des COVID-19-Ausbruchs abgesagt werden mussten, notifiziert (SA.56685). Nachgelegt hat Dänemark dann mit einem weiteren Programm auf Grundlage dieser Vorschrift zur Entschädigung von Selbständigen (SA.56791), sowie zur Unterstützung von Reiseveranstaltern durch einen Reisegarantiefonds (SA.56856). Das scheint ein dänischer Sonderweg durch die Krise zu sein. Bislang hat jedenfalls nur noch Frankreich eine Beihilferegelung auf Grundlage von Art. 107 Abs. 2 lit b AEUV bei der Kommission angemeldet. Die Kommission hat diese Regelung zur Stundung von Abgaben, die Fluggesellschaften zu leisten hätten, genehmigt (SA. 56765).

Die übrigen von den Mitgliedstaaten bei der Kommission angemeldeten Maßnahmen hat die Kommission jedoch auf Grundlage des befristeten Beihilferahmens genehmigt. Dabei haben die Mitgliedstaaten sowohl Bürgschaftsregelungen, als auch zinsvergünstigte Darlehensprogramme notifiziert sowie von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Beihilferegelungen für die Gewährung von Zuschüssen bis 800.000,- € anzumelden. Die Mehrzahl der Mitgliedstaaten bevorzugt derzeit Garantieregelungen.

Von dieser (zumindest zunächst) haushaltsschonenden Alternative haben z.B. Frankreich (SA. 56709) und Spanien (SA.56803) mit je drei allgemeinen Garantiemaßnahmen, Italien (SA. 56690) mit einer Garantieregelung zur Besicherung von Ausfallrisiken von KMU hinsichtlich Miete, Überziehungskrediten, Leasing etc. Gebrauch gemacht. Großbritannien muss in der Übergangsphase bis zum Austritt auch das Beihilfenrecht berücksichtigen und hat ebenfalls eine Garantieregelung für KMU angemeldet (SA.56794). Portugal hat vier Garantieregelungen notifiziert, um die Liquidität von Unternehmen aus dem Tourismussektor, der Gastronomie, der Rohstoffindustrie, der verarbeitenden Industrie sowie für Reisebüros und Veranstalter zu sichern (SA.56755). Weitere Garantieregelungen finden sich u.a. in: Luxemburg (SA.56805), Dänemark (SA. 56808), Malta (SA.56843), Schweden (SA.56860), Griechenland (SA.56857), Polen (SA.56876).

Einige Mitgliedstaaten haben umfassende Liquiditätspakete, bestehend aus mehreren Beihilfeinstrumenten, notifziert. Spanien (SA. 56851) hat z.B, ein solches Paket bestehend aus Steuererleichterungen, Bürgschaften und zinsvergünstigten Darlehen geschnürt. Estland (SA.56804) und Lettland (SA56722) haben jeweils Programme bestehend aus Bürgschaften und zinsreduzierten Darlehen angemeldet.

Eine Reihe von Mitgliedstaaten haben außerdem Beihilferegelungen auf Grundlage des befristeten Beihilferahmens angemeldet, um Zuschüsse und rückzahlbare Vorschüsse gewähren zu können. Dazu gehören u.a. Frankreich (SA. 56823) mit einem Solidaritätsfonds für Klein- und Kleinstunternehmen, Großbritannien (SA.56794) mit einer Zuschussregelung für KMU, Luxemburg (SA.56742) mit einer Regelung, auf deren Grundlage rückzahlbare Vorschüsse für Miet- und Personalkosten gewährt werden können, sowie Irland (SA.56845) mit einer Regelung für rückzahlbare Vorschüsse bei Umsatzeinbußen von mindestens 15% im Vergleich zur Zeit vor dem COVID-19-Ausbruch. Von dieser Möglichkeit dürften die Mitgliedstaaten sicherlich weiterhin Gebrauch machen, da auf Grundlage der Modifizierung des befristeten Beihilferahmens nunmehr auch Darlehen, Kapitalbeteiligen und bis zu 100 %ige Garantien möglich sind.

Ein besonderes Programm haben die Niederlande für die Unterstützung von Anbietern von Sozial-, Gesundheits- und Jugendsozialdienstleistungen angemeldet (SA.56915). Die Unterstützung in Form von direkten Zuschüssen ermöglicht es Anbietern, GesundheitsApps zu erwerben, zu leasen, zu lizenzieren und zu implementieren, um damit die Fernversorgung von Patienten zu gewährleisten, die während des Ausbruchs des Coronavirus zu Hause bleiben müssen.

Festzustellen ist, dass die Mitgliedstaaten die beihilferechtlichen Sonderregelungen in der Corona Krise anwenden. Sie nutzen dabei – je nach Haushaltsstärke und konkreten Bedürfnissen – unterschiedliche Instrumente. Mitgliedstaaten und Kommission stehen dabei in einem engen Austausch, der zu kurzfristigen Änderungen des befristeten Beihilferahmens und entsprechenden Anpassungen der nationalen Programme führt. Derzeit befindet sich auch gerade eine erneute Modifizierung des befristeten Gemeinschaftsrahmens in Konsultation. Die Kommission schlägt nun vor, den Anwendungsbereich des Vorübergehenden Rahmens weiter auszudehnen, indem sie es den Mitgliedstaaten ermöglicht, bedürftigen Unternehmen Rekapitalisierungen zu gewähren. Da solche öffentlichen Interventionen erhebliche Auswirkungen auf den Wettbewerb im Binnenmarkt haben können, sollten sie Maßnahmen der letzten Instanz bleiben. Sie werden auch an klare Bedingungen in Bezug auf den Einstieg, Vergütung und den Austritt des Staates aus den betreffenden Unternehmen, strenge Governance-Bestimmungen und geeignete Maßnahmen zur Begrenzung möglicher Wettbewerbsverzerrungen geknüpft. Es bleibt abzuwarten, wie die Mitgliedstaaten auf diesen Vorschlag reagieren.

Diesen Beitrag verfasste Rechtsanwältin Gabriele Quardt in ihrer Zeit bei Müller-Wrede & Partner

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