Deutsche Garantieregelung für Reisesicherungsfonds der Pauschalreiseveranstalter genehmigt

Die Europäische Kommission hat am 09. Juli 2021 eine mit 750 Mio. EUR ausgestattete staatliche Garantie für Darlehen im Falle des Ausfalls des Reisesicherungsfonds für Insolvenzen von Pauschalreiseveranstaltern genehmigt. Der Reisesicherungsfonds tritt am 01. November 2021 in Kraft und soll die bisherige Lücke im Absicherungsmodell schließen.

Aufgrund der Pauschalreiserichtlinie (EU) 2015/2303 sind die Pauschalreiseveranstalter mit Sitz in Deutschland gesetzlich verpflichtet im Falle ihrer Insolvenz eine Sicherung bereitzuhalten (vgl. § 651r BGB), um Reisende bei einem vollständigen oder auch teilweisen Ausfall von bezahlten Pauschalreisen zu entschädigen. Eine Überarbeitung der Insolvenzsicherung war spätestens mit der Insolvenz von Thomas Cook im Jahr 2019 unvermeidbar geworden; die Coronapandemie hat ihr Übriges für den Reiseveranstaltungssektor beigetragen.

Deutsche Pauschalreiseunternehmen und Reiseagenturen konnten bisher auf spezielle Versicherungen oder Bankbürgschaften zurückgreifen. Die Insolvenzversicherungen beruhten auf Kalkulationen ohne weltweite Reisebeschränkungen, sodass die bisherige Grundlage durch die Coronapandemie erheblich gestört wurde. Problematisch war hierbei aber schon immer, dass die Haftung der Absicherer auf 110 Mio. EUR beschränkt werden konnte. Dies hat sich in der Thomas Cook-Pleite als nicht ausreichend bewiesen. Der Bund hat daher inzwischen über 100 Mio. EUR für die Entschädigung von Thomas Cook Reisenden dazu geschossen, weil der Versicherer nur zum Teil zum Ausgleich in der Lage war.

Dabei war bereits bei der Umsetzung der EG-Pauschalreise-Richtlinie von 1990 in nationales Recht Kritik geübt worden, dass von manchen EU-Staaten vorgesehene Haftungsbeschränken nicht unionskonform seien. Auch die Kommission meldete Zweifel an der Zulässigkeit solcher Haftungsbeschränkungen an. Und schließlich stellte der EuGH in seinen Urteilen vom 08. Oktober 1996 (C-178/94) und vom 15. Juni 1999 (C-140/97) klar, dass die Richtlinie die vollständige Entschädigung des Reisenden vorsieht.

Der Reisesicherungsfonds löst die Insolvenzversicherungen und Bankbürgschaften ab und soll ab dem 01. November 2021 bereitstehen und bis Ende 2026 mit 750 Mio. EUR durch Beiträge der Pauschalreiseunternehmer bestückt werden. Unternehmen mit einem Jahresumsatz von weniger als 10 Mio. EUR dürfen allerdings weiter das bisherige Modell nutzen und müssen nicht in den Fonds einzahlen.

Die von Deutschland bei der Kommission angemeldete Garantie (in Höhe von 750 Mio. EUR) greift ein, wenn in den ersten sechs Jahren (bis zum 31. Oktober 2027) die verfügbaren Vermögenswerte des Fonds sowie die Rücklagen des Pauschalreiseunternehmen nicht ausreichen, um im Falle der Insolvenz die Erstattung an die Reisenden zu gewährleisten. Fällt der Fonds also in der Aufbauphase aus, kann er auf Darlehen mit einer staatlichen Garantie von 100% zurückgreifen, um die Erstattungen zu gewährleisten.

Die Europäische Kommission hat in ihrem Beschluss vom 09. Juli 2021 die von Deutschland als Beihilfe angemeldete Garantie gemäß Artikel 107 Abs. 3 lit. b AEUV unter dem Befristeten Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID-19 (Temporary Framework) genehmigt. Begünstigter ist der Fonds, der in Form einer GmbH eingerichtet wird. Nach Auffassung der Kommission trifft die Garantie die Voraussetzungen des Temporary Framework entsprechend, um dem Reisesicherungsfonds Zugang zu Darlehen unter den erschwerten Pandemiebedingungen zu gewähren. Die Kommission berücksichtige hierbei, dass Deutschland seiner Pflicht aus der Pauschalreiserichtlinie nachkommen möchte. Damit kommt die Genehmigung rechtzeitig bevor der Fonds eingerichtet wird.

Das Vorliegen einer mittelbaren Beihilfe zugunsten der Pauschalreiseanbieter prüft die Kommission nicht explizit. Jedoch führt sie in Rn. 18 aus, dass es sich bei dem Fonds um eine selbständige Gesellschaft handelt, die nicht wie eine hoheitliche Einrichtung handelt. Daher schließt sie die Staatlichkeit der Mittel aus, die über den Fonds gewährt werden und damit auch die Gewährung einer Beihilfe zugunsten der Pauschalreiseanbieter.

Fazit

Mit diesem Reisefonds schlägt Deutschland zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum einen greift es mit diesem neuen Absicherungsmechanismus der Corona-gebeutelten Reisebranche mittelbar unter die Arme und zum anderen kommt es damit auch der gerichtlich festgestellten Pflicht nach, Reisende für den Fall der Insolvenz des Pauschalreiseanbieters vollständig zu entschädigen. Kritik kommt allgemein aus der Branche, da der Absicherungszeitraum bis zum 1. November 2021 für das am 1. Juli 2021 in Kraft getretene Gesetz zu kurz sei und insbesondere mittelgroße Anbieter belasten würde. Verbraucher müssen wissen, dass der Fonds nur bei Pauschalreisen eingreift – d.h. nur für mindestens zwei Reiseleistungen, die jeweils mehr als 25% des Reisepreises ausmachen. Der Vorteil für pauschal Reisende liegt damit klar auf der Hand – bei Individualleistungen (z.B. einzelne Buchung von Flug und Hotel) trägt der Reisende nach wie vor selbst das Risiko. Entsprechende Erfahrungen haben Verbraucher bei den Pleiten der Fluggesellschaften Air Berlin und Germania machen müssen.

*Jonathan Hügens verfasste diesen Beitrag während seines Referendariats bei MWP.

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