Auf in den digitalen Wandel

Am 12. Dezember 2022 hat die Europäische Kommission eine überarbeitete Mitteilung über staatliche Beihilfen zur Förderung von Breitbandnetzen (im Folgenden „Breitbandleitlinien“) angenommen. Die Leitlinien werden am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt, voraussichtlich im Januar 2023, in Kraft treten.

Die Überarbeitung der Breitbandleitlinien soll den digitalen Wandel innerhalb der Europäischen Union unterstützen, indem die Änderungen technologischen, aufsichtsrechtlichen und marktbezogenen Entwicklungen Rechnung tragen. Insbesondere sollen sie zu den strategischen Zielen der EU beitragen, bis zum Ende des Jahrzehnts eine Gigabit-Anbindung und eine Versorgung mit 5G-Netzen für alle Menschen in Europa zu gewährleisten. Sie spiegeln insofern die politischen Prioritäten der EU im digitalen Bereich (v.a. Mitteilung über die Gigabit-Gesellschaft, Mitteilung über die Gestaltung der digitalen Zukunft Europas, Mitteilung über den digitalen Kompass und kürzlich vom Europäischen Parlament und dem Rat angenommener Vorschlag für das Politikprogramm für die digitale Dekade) wider.

Zu diesem Zweck enthalten sie die Regeln, nach denen die Kommission angemeldete Beihilfen zur Unterstützung des Ausbaus und der Nutzung von Breitbandnetzen in der EU prüfen wird. Sie ergänzen die bereits im Jahr 2021 von der Kommission vorgenommene Änderung der AGVO, die ebenfalls Maßnahmen zur Förderung des Netzausbaus erleichtern soll und Bestimmungen über Festnetze, Mobilfunknetze und die Nutzung von Breitbanddiensten enthält (v.a. Abschnitt 10 der AGVO „Beihilfen für Breitbandinfrastrukturen“).

Aufbau der Breitbandleitlinien

Der Aufbau der Breitbandleitlinien entspricht in der Grundkonzeption dem Aufbau der neuen Leitlinien für staatliche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen („KUEBLL“, siehe Aus UEBLL wird KUEBLL – BeihilfenBlog).

Nach der Einleitung in Abschnitt 1 enthalten die Breitbandleitlinien in Abschnitt 2 Vorschriften zum Anwendungsbereich, zu den maßgeblichen Begriffsbestimmungen und zu den von den Regelungen der Leitlinien umfassten Arten von Breitbandnetzen. Demnach geben die Leitlinien Orientierungshilfen für die Binnenmarktvereinbarkeit staatlicher Beihilfen für den Ausbau und die Nutzung von Festnetz-Breitbandnetzen, Mobilfunk-Breitbandnetzen und Mobilfunkdiensten. Die Leitlinien unterscheiden hierbei zwischen den in Abschnitt 2.3 näher erläuterten festen ultraschnellen Zugangsnetzen, Mobilfunk-Zugangsnetzen und Backhaul-Netzen.

Abschnitt 3 enthält Ausführungen zu sektorspezifischen Besonderheiten, die bei der Erbringung von Breitbanddiensten als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse („DAWI“) bei der Prüfung des DAWI-Pakets zu berücksichtigen sind.

In Abschnitt 4 legt die Kommission allgemein dar, dass sie im Rahmen ihrer Prüfung der Vereinbarkeit von Beihilfen mit dem Binnenmarkt nach Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV prüfen wird, ob die Beihilfe der Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige dient und abwägen wird, ob die positiven Auswirkungen der geplanten Beihilfe den möglichen negativen Auswirkungen in Form von Wettbewerbsverzerrungen und Beeinträchtigungen des Handels auf den Binnenmarkt überwiegen. Kapitel 5 enthält dann spezifische Vorgaben für die Prüfung dieser beiden Schritte in Bezug auf Beihilfen für den Ausbau von Breitbandnetzen, Kapitel 6 enthält spezifische Vorschriften für die Vereinbarkeitsprüfung in Bezug auf Anreizmaßnahmen.

Abschnitt 7 enthält schließlich Transparenzvorschriften, insbesondere Angaben zu den in der Beihilfentransparenzdatenbank einzutragenden Informationen. Abschnitt 8 sieht vor, dass bei großvolumigen Beihilferegelungen (Mittelausstattung oder verbuchte Ausgaben von über 150 Mio. EUR in einem Jahr oder 750 Mio. EUR während der Gesamtlaufzeit) oder wenn wesentliche marktbezogene, technologische oder aufsichtsrechtliche Veränderungen vorgesehen sind, die Kommission einen ex-post-Evaluierungsplan fordern kann.

Die wesentlichen Änderungen

Die Breitbandlinien haben inhaltlich vor allem folgende Überarbeitungen erfahren:

Die Schwellenwerte für öffentlich geförderte Festnetze werden an die neuesten technologischen und marktbezogenen Entwicklungen angepasst. So regeln die Rn. 53 ff., dass ein Marktversagen vorliegt und Mitgliedstaaten in Gebieten investieren dürfen, wenn dort Endnutzern keine Verbindung mit einer Download-Geschwindigkeit von mindestens 1 Gbit/s und einer Upload-Geschwindigkeit von mindestens 150 Mbit/s geboten wird. Die staatliche Investition muss die verfügbare Downloadgeschwindigkeit mindestens verdreifachen und in wettbewerbsbestimmten Gebieten eine Download-Geschwindigkeit von mindestens 1 Gbit/s und eine Upload-Geschwindigkeit von mindestens 150 Mbit/s ermöglichen.

Mobilfunknetze dürfen nach den Rn. 60 ff. wiederum staatlich unterstützt werden, wenn private Betreiber entsprechende Investitionen ansonsten nicht tätigen würden. Auch dann sind staatliche Investitionen nach Rn. 51 nur erforderlich, wenn entsprechende Investitionen nicht durch administrative oder regulatorische Maßnahmen, wie eine mit der Nutzung bestimmter Funkfrequenzen verbundene Abdeckungsverpflichtung, gewährleistet werden können.

Die überarbeiteten Leitlinien enthalten in Abschnitt 6 einen eigenen Abschnitt mit neu eingeführten Maßnahmen, die Anreize zur Nutzung von Breitbanddiensten schaffen sollen. Die dort geregelten Maßnahmen sollen Hindernisse für die digitale Konnektivität beseitigen und den Zugang zu Breitbanddiensten erleichtern, um die digitale Inklusion und die Resilienz der Gesellschaft zu verbessern. Zu diesem Zweck schreiben die Leitlinien vor, unter welchen Voraussetzungen Sozialgutscheine für Verbraucher (Abschnitt 6.1) und Konnektivitätsgutscheine für Endnutzer in Person von Verbrauchern oder KMU (Abschnitt 6.2) eingesetzt werden dürfen.

Die Überarbeitungen enthalten Klarstellungen und zusätzliche Orientierungshilfen zu Schlüsselbegriffen und -grundsätzen im Zusammenhang mit der Förderung von Breitbandnetzen, wie zur Kartierung (Abschnitt 5.2.2.4.1), zu öffentlichen Konsultationen zu geplanten Maßnahmen (Abschnitt 5.2.2.4.2), zu den Anforderungen an wettbewerbliche Auswahlverfahren (Abschnitt 5.2.4.1), zum Zugang auf Vorleistungsebene (Abschnitt 5.2.4.4) und den Preisen für diesen Zugang (5.2.4.4.4) und zu Rückforderungsmechanismen (Abschnitt 5.2.4.4.5).

Bei der Abwägung der positiven Auswirkungen der Beihilfe gegen ihre negativen Auswirkungen auf Wettbewerb und Handel wird nun vor allem der Beitrag und die Auswirkungen der Maßnahme im Hinblick auf die EU-Ziele des digitalen und grünen Wandels berücksichtigt.

*Diesen Beitrag schrieb Christopher Hanke während seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt bei MWP.

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