Der Mann, den keiner kennt – Der private Investor

Verhält sich die öffentliche Hand bei ihren Transaktionen wie ein privater Investor, liegt keine Begünstigung vor, der Tatbestand einer Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV ist nicht erfüllt. Diesen Grundsatz haben die Unionsgerichte in umfangreicher Rechtsprechung zum sog. „Market Economy Operator Test“ (MEOT) immer weiter konkretisiert. Insbesondere die Frage der Anwendbarkeit des MEOT wirft in der Praxis jedoch häufig Fragen auf. Dieser Beitrag wird sich daher auf Grundlage des Urteils in der Rechtsmittelentscheidung C-127/16 P „SNCF/Kommission vom 7. März 2018 mit der Frage der Abgrenzung zwischen der Anwendbarkeit und der Anwendung des MEOT auseinandersetzen.

In diesem Rechtsmittelverfahren ging es konkret um die Frage der Anwendbarkeit des MEOT im Zusammenhang mit sogenannten Ausgleichsmaßnahmen. Die Leitlinien zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten sehen zum Ausgleich von Wettbewerbsbeeinträchtigungen z.B. Veräußerungen oder Verkleinerungen von Geschäftsbereichen als strukturelle Maßnahmen vor. Die Genehmigung dieser Beihilfen erfolgt i.d.R. unter der Auflage, diese Ausgleichsmaßnahmen durchzuführen. In Ihrem Beschluss, staatliche Beihilfe C 32/03 hatte die Kommission eine Umstrukturierungsbeihilfe zugunsten von SERNAM unter der Auflage genehmigt, die Aktiva „en bloc“ im Rahmen eines transparenten, offenen und bedingungsfreien zum Marktpreis zu verkaufen. Alternativ bestand nach dem Beschluss der Kommission die Möglichkeit, die durch Veräußerung von Geschäftsfeldern die Geschäftstätigkeit neu auszurichten.

Der Verkauf der Geschäftsanteile erfolgte im Ergebnis nach Durchführung eines Bietverfahrens zu einem negativen Kaufpreis und war mit der Gewährung neuer Beihilfe verbunden. Die Kommission kam nach Prüfung in einem weiteren Beschluss zu dem Ergebnis, dass damit die Genehmigungsvoraussetzungen der Umstrukturierungsbeihilfe nicht erfüllt waren (staatliche Beihilfe SA. C 37/08). Gegen diesen Beschluss legte SNCF Nichtigkeitsklage beim Gericht der Europäischen Union (EuG) ein (Rs. T-242/12). Das EuG wies jedoch die Nichtigkeitsklage ab und bestätigte damit den Beschluss der Kommission. Das von der Rechtsmittelführerin gegen dieses Urteil eingelegte Rechtsmittel wurde vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) am 7. März diesen Jahres ebenfalls zurückgewiesen.

Bestätigt hat der EuGH, dass auch im Rahmen von Privatisierungen der MEOT grundsätzlich Anwendung findet und dabei auch der Verkauf zu einem negativen Kaufpreis dem Handeln eines Privaten Investors nicht entgegensteht, soweit die Liquidationskosten im Vergleich höher gewesen wären. Weiter wird die bisherige Rechtsprechung dahingehend bestätigt, dass die Anwendbarkeit des MEOT davon abhängt, ob die öffentliche Hand eine Transaktion in der Funktion des Anteilseigners oder als Träger öffentlicher Gewalt gewährt. Nur im ersten Fall ist der MEOT überhaupt anwendbar. Wie bereits in der Rs. C-224/12 P „ING“ trennt der EuGH im Weiteren das Kriterium der Anwendbarkeit der MEOT klar von seiner Anwendung: Im Ergebnis könne die Anwendung des MEOT nicht bereits die Frage der tatsächlichen Anwendbarkeit dieses Kriteriums klären. Das bedeutet, dass allein die Durchführung eines transparenten, offenen und bedingungsfreien Bietverfahrens nicht automatisch die Anwendbarkeit dieses Kriteriums impliziert. Dafür sei vielmehr die Prüfung der Gesamtumstände erforderlich. Im konkreten Fall stellt der EuGH zur Anwendbarkeit des MEOT fest, dass es sich bei der Veräußerung der Vermögensbestandteile „en bloc“ um eine Ausgleichsmaßnahme zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen handelt. In diesem Zusammenhang hatte das EuG bereits in 1. Instanz festgestellt, dass es sich daher nicht um den Verkauf eine Privatinvestors mit dem Ziel der Gewinnmaximierung handele und daher die Anwendung des MEOT auf diesen Fall abgelehnt. Der EuGH schließt sich dieser Aussage im Ergebnis an: “Dieses Kriterium berücksichtigt zwar die Verpflichtung, dem auch Wirtschaftsteilnehmer unterliegen. Jedoch dürfen die Verpflichtungen, die die normalen Marktbedingungen darstellen, nicht mit denjenigen verwechselt werden, die bezwecken, Wettbewerbsverzerrungen innerhalb des betreffenden Marktes zu verhindern.“ (Rn. 30).

Fazit

Den Hut des privaten Investors trägt die öffentliche Hand nur, wenn ihr Verhalten von rein wirtschaftlichen Erwägungen getragen wird. Das Urteil macht deutlich, dass soweit das staatliche Verhalten also nicht der reinen Gewinnmaximierung, sondern dem Ausgleich von Wettbewerbsbeeinträchtigungen dient, der MEOT keine Anwendung findet. Neben der Umsetzung von wettbewerbsbereinigenden Ausgleichsmaßnahmen ist dabei die Rückforderung von rechtswidrigen Beihilfen auf Grundlage eines Kommissionsbeschlusses ein weiteres gutes Beispiel für die Beschränkung des MEOT. Bei der Umsetzung des Rückforderungsbeschlusses geht es um die Beseitigung der durch Gewährung rechtswidriger Beihilfen entstandenen Wettbewerbsbeeinträchtigung. Diese kann zum einen durch die Rückforderung der Beihilfen aber auch durch die Einstellung der Betriebstätigkeit und Liquidation des Beihilfenempfängers erfolgen. Werden die Vermögensbestandteile gebündelt zur Weiterführung der Betriebstätigkeit veräußert, muss dieses im Wege eines offenen, transparenten und bedingungsfreien Bietverfahrens erfolgen. Der Staat handelt dabei nicht als Anteilseigner, sondern aufgrund einer Verpflichtung, die ihm Kraft EU-Recht obliegt. Der MEOT – getragen von rein wirtschaftlichen Zielen – ist folglich auch in diesem Zusammenhang nicht anwendbar.

 

 

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